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Versicherungsschutz bei einer Betriebsschließung wegen Corona – Teil 3

Mit Urteil vom 1. Oktober 2020 (Az. 12 O 5895/20) hat das Landgericht (LG) München I einem Gastwirt wegen des Corona-Lockdowns erstmals eine Entschädigung aus einer Betriebsschließungsversicherung zugesprochen. Der Wirt der Münchner Traditionsgaststätte "Augustiner-Keller" erhält eine Versicherungssumme in Höhe von rund einer Million Euro.

Mit Corona-bedingten Entschädigungsforderungen aus Versicherungen hatten sich zuvor bereits das LG Mannheim und das OLG Hamm beschäftigt. Eine einheitliche Rechtsprechung hat sich indes noch nicht herausgebildet. Das LG Mannheim (Urteil vom 29. April 2020, Az.: 11 O 66/20) hatte einen Anspruch der klagenden Hotelbetreiberin grundsätzlich bejaht. Allerdings konnte die Klägerin die Höhe des Anspruchs nicht hinreichend darlegen. Mit Beschluss vom 15. Juli 2020 hatte das OLG Hamm (Az. 20 W 21/20) die Klage einer Gaststättenbetreiberin hingegen abgewiesen.

Das sah das LG München I jetzt anders und bat die Versicherung zur Kasse. Rechtskräftig ist das Urteil allerdings noch nicht.

  • Sachverhalt
  • Urteil des Gerichts
  • Vorliegen einer Betriebsschließung aufgrund des IfSG
  • Unwirksamkeit des Verweises auf IfSG in Versicherungsbedingungen
  • Entschädigungsanspruch des Klgers
  • Fazit

Sachverhalt

Der Kläger musste seine Gaststätte in München aufgrund der behördlichen Anordnung in der Zeit vom 21. März 2020 bis zum 17. Mai 2020 vollständig schließen. Die Versicherung mit dem Bayerischen Versicherungsverband/Versicherungskammer Bayern hatte er am 4. März 2020 abgeschlossen – nur 17 Tage vor dem Corona-Lockdown. Der Gastwirt wollte sich damit im Hinblick auf die Pandemie absichern.

Der Versicherungsvertrag verweist auf die in § 6 und § 7 Infektionsschutzgesetz (IfSG) aufgelisteten Krankheiten und Krankheitserreger. Versicherungsschutz besteht, wenn der Betrieb bei Ausbruch einer Krankheit schließen muss.

Die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) wurde zwar erst am 23. Mai 2020 und damit nach Abschluss des Versicherungsvertrages in § 6 Abs. 1 Nr. 1 IfSG aufgenommen. Ein von der VKB bereits im März an ihre Vertriebspartner herausgegebenes Dokument bezog das Coronavirus allerdings ausdrücklich in den Versicherungsschutz ein:

"Wir stellen den Coronavirus "2019-nCoV" den in unseren Bedingungen für die gewerbliche Betriebsschließungsversicherung () namentlich genannten Krankheitserregern gleich. Als Basis gilt die Verordnung vom 01.02.2020 durch den Bundesminister für Gesundheit zur Erweiterung der Meldepflicht nach dem Infektionsschutzgesetz.

Somit sind behördlich angeordnete Betriebsschließungen aufgrund des neuartigen Coronavirus in unserer gewerblichen Betriebsschließungsversicherung mitversichert."

Der Vertrag sieht eine Versicherungssumme in Höhe von rund einer Million Euro für bis zu 30 Tage Betriebsschließung vor – genau diesen Betrag verlangte der Kläger nun. Die Versicherung weigerte sich aber, die Summe zu bezahlen. Der Versicherungsschutz beziehe sich nicht auf das Coronavirus. Allein aus der Vertriebsinformation könne der Kläger keine Rechte herleiten. Außerdem hätte er zunächst gegen die Schließungsanordnung der Behörde vorgehen müssen.

Urteil des Gerichts

Die Argumentation der beklagten Versicherung überzeugte das Gericht nicht. Es hat dem Gastwirt die geforderte Summe zugesprochen.

Nach Ansicht des LG München I liegen die Voraussetzungen für die Zahlung der Entschädigung vor. Der Betrieb des Klägers wurde aufgrund des Coronavirus von den Behörden geschlossen. Dabei kommt es nicht auf die Rechtmäßigkeit der Schließungsverfügung an. Entgegen der Auffassung der Versicherung war der Kläger auch nicht gehalten, zuerst gegen die behördliche Anordnung vorzugehen. Ein solches Vorgehen ist einem Versicherungsnehmer nur bei schwerwiegenden Mängeln der Anordnung zumutbar.

Vorliegen einer Betriebsschließung aufgrund des IfSG

Nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) kommt es insbesondere nicht darauf an, dass das Coronavirus in dem konkreten Betrieb aufgetreten ist. Auch nach dem Wortlaut der AVB ist allein entscheidend, dass die Schließung aufgrund des IfSG erfolgt ist.

Auch eine Betriebsschließung liegt nach Ansicht des LG München vor. Zwar wäre ein Außerhausverkauf auch nach der Anordnung des bayerischen Ministeriums weiter zulässig gewesen. Der „Augustiner-Keller“ ist jedoch eine Gaststätte, deren Geschäftsmodell rein auf die Bewirtung vor Ort ausgelegt ist. Zu gewöhnlichen Zeiten beträgt der Umsatz des Klägers aus dem To-go Geschäft weniger als 0,1% – keine „unternehmerische Alternative“ also.

Unwirksamkeit des Verweises auf IfSG in Versicherungsbedingungen

Auch bemängelten die Richter, dass es für einen Versicherungsnehmer nicht klar erkennbar sei, worauf sich der Schutz genau beziehe. Bei dem Verweis auf das IfSG gehe ein durchschnittlicher Versicherter davon aus, dass Versicherungsschutz genau für die im IfSG genannten Krankheiten bestehe. Eine etwaige Einschränkung des Schutzes im Hinblick auf bestimmte Viren kann er dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen nicht entnehmen. Von „dem typischen Versicherungsnehmer einer solchen Versicherung kann nicht erwartet werden, dass er den Text der Auflistung Wort für Wort mit dem IfSG vergleicht, wobei er sich den Text noch selbst besorgen muss“, so das LG München I (vgl. auch BGH, Urteil vom 27.01.2010, Az. IV ZR 50/09).

Das Gericht erteilte der Ansicht der beklagten Versicherung deshalb auch in diesem Punkt eine Absage und rügte die Klausel in den Versicherungsbedingungen.

Das kann der Versicherer verhindern, indem er in seinen Versicherungsbedingungen nicht lediglich auf die §§ 6 und 7 IfSG verweist, sondern einen Katalog von ausschließlich versicherten Krankheiten aufnimmt.

Entschädigungsanspruch des Klägers

Das LG München I sprach dem Kläger die geforderte Versicherungssumme in Höhe von 1.014.000,00 € zu. Insbesondere führte es aus, dass das gezahlte Kurzarbeitergeld sowie die Liquiditätshilfen von Bund und Freistaat Bayern nicht anspruchsmindernd anzurechnen seien.

Das Kurzarbeitergeld schütze den Arbeitnehmer, nicht den Arbeitgeber. Außerdem handele es sich schon begrifflich sowohl beim Kurzarbeitergeld als auch bei den Liquiditätshilfen nicht um Schadensersatzzahlungen wegen der Betriebsschließungen.

Fazit

Das OLG Hamm entschied zugunsten der Versicherung, das LG München I gab dem klagenden Gastwirt recht: Hier hat sich noch keine einheitliche Rechtsprechung herausgebildet.

Rechtskräftig ist das Urteil des LG München noch nicht. Die unterlegene Versicherung hat auch schon angekündigt, Berufung einzulegen.

Weitere Klagen von Gastwirten sind bei verschiedenen Gerichten anhängig. Im Sinne der Rechtssicherheit ist deshalb zu wünschen, dass der Bundesgerichtshof bald klare Vorgaben macht. Das dürfte sowohl für Versicherungen als auch für Hoteliers und andere Gaststättenbetreiber eine enorme Erleichterung darstellen.

Beitrag veröffentlicht am
9. Oktober 2020

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