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Insolvenzrecht Verlängerung der Insolvenzantragsfrist - Hilfe und/oder Haftungsfalle?

Neben zahlreichen anderen Maßnahmen wurde mit dem 2. COVID-19-Gesetz (BGBl I 16/2020; www.ris.bka.gv.at/bgbl) unter gewissen Voraussetzungen die Frist für die Beantragung eines Insolvenzverfahrens verlängert. Dieser Beitrag soll zeigen, was diese Änderung für den Geschäftsführer einer GmbH (nicht) bedeutet.

Insolvenzantragspflicht

In einer Krisensituation treffen den Geschäftsführer besondere Handlungspflichten. Sofern die materiellen Voraussetzungen zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (Zahlungsunfähigkeit und/ oder Überschuldung) erfüllt sind, ist der Geschäftsführer gemäß § 69 Abs 2 Insolvenzordnung (IO) verpflichtet, beim zuständigen Gericht unverzüglich einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen.

Durch das 4. Covid-19-Gesetz wurde nunmehr normiert, dass die Verpflichtung des Schuldners, bei Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen, bei einer im Zeitraum 01.03.2020 bis 30.06.2020 eingetretenen Überschuldung ausnahmsweise nicht gilt.

Liegt am Ende dieses Zeitraums Überschuldung vor, muss innerhalb von 60 Tagen ab 30.06.2020 oder innerhalb von 120 Tagen ab Eintritt der Überschuldung ein Insolvenzantrag gestellt werden, je nachdem welcher Zeitraum später endet.

An der Verpflichtung, bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag zu stellen, ändert sich hingegen nichts.

Die Insolvenzordnung gibt dem Geschäftsführer die Möglichkeit, die Gesellschaft binnen einer Maximalfrist von 60 Tagen zu sanieren, also den jeweils gegebenen Insolvenztatbestand zu beseitigen, ohne gegen die Insolvenzantragspflicht zu verstoßen.

Die Praxis zeigt, dass diese Frist oft missverstanden wird. Viele Geschäftsführer gehen davon aus, dass sie in jedem Fall 60 Tage lang Zeit haben, um einen Insolvenzantrag beim zuständigen Gericht einzubringen.

Tatsächlich muss diese Frist aber für ernsthafte Sanierungsbemühungen genützt werden und wird auch nur so lange gewahrt, wie die Sanierungsbemühungen tatsächlich Aussicht auf Erfolg haben. Ein bloßes „Hoffen auf Besserung“ ist unzulässig. Darüber hinaus kann die Frist (im tatsächlich erforderlichen Ausmaß) auch für die Vorbereitung eines Insolvenzantrages genützt werden.

Verletzt der Geschäftsführer die Insolvenzantragsplicht, weil er etwa nicht umgehend einen Antrag stellt, sobald klar ist, dass jegliche Sanierungsbemühungen aussichtslos sind oder weil trotz zunächst aussichtsreicher Maßnahmen seit dem Eintritt der materiellen Insolvenz bereits mehr als 60 Tage vergangen sind, so kann das zu einer persönlichen Haftung des Geschäftsführers führen.

Verlängerung der Insolvenzantragspflicht

Schon bisher sah § 69 Abs 2a IO eine Verlängerung der Insolvenzantragspflicht von 60 auf 120 Tage vor, wenn der Eintritt der materiellen Insolvenz durch eine Naturkatastrophe (Hochwasser, Lawine, Schneedruck, Erdrutsch, Bergsturz, Orkan, Erdbeben oder ähnliche Katastrophen vergleichbarer Tragweite) verursacht wurde.

Die demonstrative Aufzählung der Naturkatastrophen, die zu einer Fristverlängerung führen könnten, wurde mit dem 2. COVID-19-Gesetz durch die Begriffe „Epidemie“ und „Pandemie“ erweitert. Damit hat der Gesetzgeber ausdrücklich klargestellt, dass die Antragsfrist auch bei einer „pandemiebedingten“ Insolvenz auf 120 Tagen verlängert wird.

„Pandemiebedingte“ Insolvenz?

Die verlängerte Frist gilt nur für „pandemiebedingte“ Insolvenzen.

Für eine Verlängerung der Antragspflicht muss die Pandemie sicher nicht die einzige Insolvenzursache, wohl aber eine wesentliche und nicht wegzudenkende Voraussetzung sein. Vereinfacht gesagt, bleibt es bei der 60-Tages-Frist, wenn die Insolvenz des Unternehmens auch ohne die Pandemie eingetreten wäre. Im Zweifel ist dem Geschäftsführer zur Haftungsvermeidung zu raten, vorsichtshalber von einer 60-tägigen Frist auszugehen und die Lage während der laufenden Sanierungsbemühungen täglich neu zu analysieren.

Vorsicht

Die Verlängerung der Antragsfrist auf 120 Tage für pandemiebedingte Insolvenzen ist eine sinnvolle Maßnahme und grundsätzlich begrüßenswert. Allerdings birgt sie auch ein nicht zu unterschätzendes Haftungspotenzial für Geschäftsführer.

Zum einen könnten Geschäftsführer dazu verleitet werden, ungeachtet der tatsächlichen Umstände die Pandemie als Insolvenzursache anzunehmen, um dem Unternehmen vermeintlich mehr Zeitzuverschaffen.

Der weit verbreitete Irrtum, man könnte die Insolvenzantragsfrist in jedem Fall bis zum letzten Tag ausschöpfen, führt schon bisher dazu, dass viele Insolvenzanträge verspätet gestellt werden. In Kombination mit der Verlängerung könnte dieser Irrtum dazu führen, dass Insolvenzverfahren mit bis zu doppelter Verspätung als bisher beantragt werden. Zumal jeder Tag der Verspätung im Regelfall zu einem Zuwachs der Verbindlichkeiten führt, steigt das Haftungsvolumen für den betroffenen Geschäftsführer naturgemäß im selben Ausmaß.

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