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Grenzen der Geschäftsführerhaftung

Insolvenzrecht in Deutschland
Insolvenzrecht in Deutschland
 

Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit einer GmbH – Grenzen der Geschäftsführerhaftung

Von unserem DIRO-Anwalt in Aachen, Herr Carsten Lange, Tel: +49 241 94621138 , E-Mail: lange@dhk-law.com , www.dhk-law.com

Die Haftungsfalle für Geschäftsführer in der Insolvenz

Wann haftet der Geschäftsführer einer GmbH im Fall einer Insolvenz – und wie kann er sich unter Berufung auf eine wiederhergestellte Zahlungsfähigkeit entlasten? Diese Frage stellt sich regelmäßig, wenn nach Auftreten von Zahlungsschwierigkeiten der Insolvenzverwalter Ersatzansprüche wegen Insolvenzverschleppung geltend macht. Typischerweise beruft sich der Insolvenzverwalter darauf, dass die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft bereits mehr als drei Wochen vor der Insolvenzantragstellung eingetreten war. Dem setzt die Geschäftsführung mitunter das Argument entgegen, die finanzielle Lage habe sich wieder entspannt: Die Zahlungsfähigkeit sei zwischenzeitlich (wieder) hergestellt worden.

Ein solches Spannungsfeld ist nicht nur von erheblicher praktischer Relevanz, sondern auch Gegenstand der Rechtsprechung. Welche Erwägungen und Abwägungen in diesen Fällen letztlich entscheidend sind, verdeutlicht ein aktuelles Urteil des OLG Düsseldorf vom 19. September 2024 (Az. I-12 U 57/23), das sich mit drei besonders praxisnahen Aspekten der Thematik beschäftigt.

Zahlungsunfähigkeit: Maßstab und Berechnung nach gefestigter Rechtsprechung

Wodurch wird Zahlungsunfähigkeit einer GmbH im insolvenzrechtlichen Sinne eigentlich bestimmt? Konsens besteht insoweit: Grundlage ist stets die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die sich über die Jahre hinweg als verbindlicher Maßstab etabliert hat.

  • Definition und Kriterien: Als zahlungsunfähig gilt, wer nach Fälligkeit seiner Verbindlichkeiten nicht in der Lage ist, diese innerhalb von drei Wochen aus eigenen oder durch Kreditaufnahme beschafften Mitteln zu begleichen. Eine Überschreitung der sog. „Liquiditätslücke“ von 10 % der fälligen Verbindlichkeiten bedeutet: Zahlungsunfähigkeit liegt vor.
  • Methodik – Die Liquiditätsbilanz: Zur Feststellung werden liquide Mittel (Aktiva I) und innerhalb von drei Wochen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zufließende Mittel (Aktiva II) den zum Stichtag fälligen (Passiva I) sowie den binnen drei Wochen fällig werdenden Verbindlichkeiten (Passiva II) gegenübergestellt.
  • Dauer der Beseitigung: Die Einräumung eines dreiwöchigen Zeitraums basiert auf der Annahme, dass eine kreditwürdige Gesellschaft diesen Zeitraum benötigt, um Liquiditätsengpässe durch Kredite auszugleichen.

Nicht zuletzt im beschriebenen Fall vor dem OLG Düsseldorf wurde ein Gutachten zur Liquiditätslage erstellt, das eine Unterdeckung von mehr als 10 % auswies – mit der Folge, dass dies als tragende Grundlage für die Geschäftsführerhaftung diente.

Typische Einwände der Geschäftsführung gegen die Haftung – Rechtliche Einordnung

Welche Gegenargumente stehen der Geschäftsführung in solchen Konstellationen zur Verfügung? Im Verfahren vor dem OLG Düsseldorf wurden insbesondere folgende Erwägungen vorgebracht:

1. Kreditzusage als rettender Anker?

Der Geschäftsführer wendet häufig ein, es habe – entgegen den Feststellungen des Gutachters – zugesagte Kreditlinienerweiterungen gegeben. Für eine erfolgreiche Verteidigung kommt es jedoch entscheidend darauf an, dass tatsächlich eine rechtlich verbindliche Kreditzusage der Bank bestand. Nur dann kann in die Liquiditätsprognose einbezogen werden, dass der Gesellschaft innerhalb des Dreiwochenzeitraumes zusätzliche Mittel zur Verfügung stehen. Fehlt eine solche Zusage, bleibt der Einwand wirkungslos.

2. Das Warenlager als Liquiditätsreserve?

Kann die Aktivierung des Warenlagers eine ausreichende Liquiditätsdeckung bewirken? Hier differenziert die Rechtsprechung konsequent: Ein Warenlager kann nur dann als kurzfristig liquidierbares Vermögen im Rahmen der Liquiditätsbilanz berücksichtigt werden, wenn dessen Verkauf den laufenden Geschäftsbetrieb nicht gefährdet. Ist das Warenlager jedoch betriebsnotwendig, also Bestandteil des laufenden Geschäftsbetriebs, scheidet eine Berücksichtigung aus. Anderenfalls würde eine kurzfristige Liquidierung dazu führen, dass die Gesellschaft ihre Lieferverpflichtungen nicht mehr erfüllen kann.

3. Wiederhergestellte Zahlungsfähigkeit – ein tragfähiger Ausweg?

Nicht selten argumentiert die Geschäftsführung, nach zwischenzeitlicher Liquiditätskrise sei die Zahlungsfähigkeit bis zur Insolvenzantragstellung erneut hergestellt gewesen. Die Rechtsprechung setzt die Hürde für diese Annahme indes sehr hoch:

  • Erforderlich ist ein nachhaltiger Zustand, der dadurch gekennzeichnet ist, dass sämtliche fälligen Verpflichtungen – auch neu hinzutretende – wieder bedient werden und die allgemeinen Zahlungen an die Gläubiger aufgenommen wurden.
  • Sobald der Schuldner zwar kurzzeitig seine Gläubiger befriedigt, dann aber sofort erneut in Rückstand gerät, fehlt es an einer stabilen Sanierung – Zahlungsunfähigkeit ist fortbestehend.
  • Noch unbeantwortet bleibt indes die Frage nach einem genauen Zeitraum, der für die Annahme einer tatsächlichen und nachhaltigen Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit erforderlich ist. In der Rechtsprechung wird hierzu kein konkreter zeitlicher Rahmen benannt.

Fazit: Praktische Implikationen und Handlungsempfehlungen für Geschäftsführer

Das OLG Düsseldorf gibt mit seiner Entscheidung erneut Anlass, die Pflichten der Geschäftsführung im Auge zu behalten: Einmal in das Raster der Zahlungsunfähigkeitsprüfung geraten, ist es kaum möglich, sich nachträglich mit Erfolg darauf zu berufen, die Lage habe sich zwischenzeitlich und nachhaltig entspannt, denn

  • Verbindlichkeiten hinsichtlich neuer Kredite sind nur relevant, sofern diese eindeutig zugesagt und abrufbar sind.
  • Liquide Mittel können aus Vermögensgegenständen nur dann zur Deckungslücke beitragen, wenn deren Verwertung den Geschäftsbetrieb nicht beeinträchtigt.
  • Die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit verlangt einen nachhaltigen, die Zukunft umfassenden Zustand regulärer Zahlungserbringung.

Empfehlung: Angesichts der dargestellten rechtlichen Messlatte empfiehlt es sich, die Liquiditätslage engmaschig zu überwachen und bereits tätig zu werden, bevor die entscheidende 10%-Schwelle überschritten ist. Nur so kann die persönliche Haftungsgefahr wirksam minimiert werden.

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Unser DIRO-Anwalt in Aachen, Herr Carsten Lange berät Sie gerne, Tel: +49 241 94621138 , E-Mail: lange@dhk-law.com , www.dhk-law.com

Carsten Lange

Rechtsanwalt, Insolvenzverwalter, Mediator (DAA), Wirtschaftsmediator, Bankkaufmann

Fachanwalt für Insolvenzrecht,
Fachanwalt für Steuerrecht

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