Mangelhafte Werkleistung im Lichte des Insolvenzrechtes
Von unserem DIRO-Anwalt in Aachen, Herr Carsten Lange, Tel: +49 241 94621138 , E-Mail: lange@dhk-law.com , www.dhk-law.com
I. Einleitung
Wie verhält es sich rechtlich, wenn ein Handwerker seine Werkleistung zwar erbracht, diese jedoch erhebliche Mängel aufweist, der Auftraggeber die Abnahme verweigert und kurz darauf das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Handwerkers eröffnet wird? Insbesondere stellt sich die Frage, ob und in welcher Höhe der Insolvenzverwalter in dieser Konstellation einen Anspruch auf Werklohn gegen den Auftraggeber geltend machen kann.
II. Ausgangsfall: Der mangelhafte Werkvertrag und die Insolvenz
Stellen Sie sich folgende Situation vor: Ein Handwerker wird mit dem Einbau von Fenstern beauftragt. Nach Abschluss der Arbeiten beanstandet der Auftraggeber diverse Ausführungsfehler—das Werk ist mangelhaft. Noch bevor eine Behebung der Mängel erfolgen kann, tritt über das Vermögen des Handwerkers die Insolvenz ein. Nun verlangt der Insolvenzverwalter vom Auftraggeber dennoch die Zahlung des Werklohns für die vor Insolvenzeröffnung erbrachten Arbeiten.
Die Reaktion des Auftraggebers: Er argumentiert, eine Abnahme sei angesichts der Mängel zu Recht verweigert worden; folglich könne der Werklohn noch nicht gefordert werden. Droht dem Auftraggeber damit eine Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter?
III. Rechtliche Bewertung durch den BGH
Die zentrale Frage erörtert der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 17.07.2025 (Az. IX ZR 70/24): Kann die Fälligkeit des Werklohns von der Abnahme abhängig gemacht werden, wenn der Vertrag im Rahmen des Insolvenzverfahrens teilbar ist?
Teilbarkeit der Werkleistung
Grundsätzlich kann bei Insolvenz eines am Werkvertrag beteiligten Teils eine Teilung des Vertrags gemäß §§ 103, 105 InsO eintreten – vorausgesetzt, beide Parteien haben ihre Verpflichtungen nicht vollständig erfüllt und die Leistungen sind teilbar. Ein Werkvertrag gilt in diesem Zusammenhang als gegenseitig „nicht erfüllt", wenn die werkvertragliche Leistung noch nicht mängelfrei erbracht und die Zahlung des Werklohns ebenfalls aussteht.
Der BGH bewertet eine mangelhafte Werkleistung als Teilleistung, nämlich in dem Umfang, in dem die Leistung mangelfrei ist. Der „andere“ Vertragsteil besteht dann in der Mängelbeseitigung und der Vollendung des mangelfreien Werkes. Ausnahmen gelten nur, wenn die mangelfreie Teilleistung einen nur geringen Wert hat oder das Ziel der Mängelbeseitigung allein durch eine vollständige Neuerstellung erreicht werden könnte.
Abnahmeerfordernis entfällt bei Teilbarkeit
Praktisch bedeutsam in der rechtlichen Bewertung ist folgende Kernaussage des BGH in dieser Entscheidung: Ist die erbrachte Werkleistung teilbar, so steht der Durchsetzung des Vergütungsanspruches für den vor Insolvenzeröffnung ausgeführten, mangelfreien Teil der Werkleistung nicht entgegen, dass keine Abnahme erfolgt ist.
Die Begründung hierfür ist vor allem insolvenzrechtlich geprägt: Das Interesse der Gläubigergesamtheit an der effektiven Durchsetzung von Vermögenswerten gebiete es, dass die Abnahme als Fälligkeitsvoraussetzung für den den mangelfreien Teil betreffenden Zahlungsanspruch des Insolvenzverwalters entfalle. Denn andernfalls wäre dieser gezwungen, den gesamten Vertrag zu erfüllen und das Werk vollständig und abnahmefähig fertigzustellen – ein Ergebnis, das der BGH mit Blick auf die Insolvenzquote und den Gläubigerschutz für unverhältnismäßig hält.
IV. Der Umfang der Werklohnforderung
Der Insolvenzverwalter kann daher den anteiligen Werklohn in Höhe des Werts der tatsächlich erbrachten mangelfreien Leistung beanspruchen. Hiervon sind die voraussichtlichen Kosten für die Beseitigung der noch bestehenden Mängel als Minderungsbetrag abzuziehen. Somit wird dem Auftraggeber die Möglichkeit gegeben, seine Einwendungen hinsichtlich der zu erwartenden Mängelbeseitigung vollumfänglich geltend zu machen, während gleichzeitig das insolvenzrechtliche Ziel eines effektiven Vermögenszuflusses an die Masse gewahrt bleibt.
V. Fazit und Empfehlung für die Praxis
Wer sich als Auftraggeber damit konfrontiert sieht, dass eine Werkleistung mangelhaft erbracht wurde und darüber hinaus der Vertragspartner insolvent ist, kann sich nicht mehr allein auf die fehlende Abnahme und Mangelhaftigkeit berufen, um den Werklohnanspruch abzuwehren. Vielmehr muss nunmehr geprüft werden, in welchem Umfang eine Teilbarkeit der bereits erbrachten Leistungen anzunehmen ist (was nach der Bewertung des BGH grundsätzlich zu bejahen sein wird) und in welcher Höhe die mit der Mängelbeseitigung verbundenen Kosten abrechenbar sind.
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