Viele Kanzleien. Ein starkes Netzwerk.
Aktuelles
Neues aus Markt und Netzwerk
 

Pflichtteilsstrafklausel greift auch für Sozialversicherungsträger

OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.11.2020 – 11 W 50/19 (Wx)

Setzen sich Eheleute auf den Tod des Erstversterbenden testamentarisch gegenseitig als Alleinerben ein, wird nicht selten zusätzlich eine sogenannte Pflichtteilsstrafklausel im Testament verfügt. Üblich ist dabei eine Regelung, wonach das Kind, das auf den Tod des erstversterbenden Elternteils seinen Pflichtteil verlangt, auch beim zweiten Todesfall nur den Pflichtteil erhält anstatt einer Erbenstellung. Leitet ein Sozialversicherungsträger, der Sozialleistungen an das Kind erbracht hat, den Pflichtteilsanspruch nach dem ersten Todesfall auf sich über und macht sodann den Pflichtteil geltend, um die erbrachten Sozialleistungen (teilweise) ersetzt zu erhalten, greift nach Auffassung des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe auch in diesem Fall die Pflichtteilsstrafklausel.

Eine Pflichtteilsstrafklausel solle regelmäßig insbesondere bewirken, das Vermögen der Eheleute als Absicherung für den überlebenden Ehegatten zusammenzuhalten. Die Schutzfunktion der Klausel für den überlebenden Ehegatten werde nur dann erreicht, wenn sie auch bei der Geltendmachung des übergeleiteten Anspruchs durch den Sozialhilfeträger Anwendung findet. Ansonsten bliebe es sanktionslos und würde der Sozialhilfeträger besonders profitieren, wenn er nach Tod des erstverstorbenen Ehegatten den Pflichtteil fordern könne und es gleichwohl bei der Erbenstellung nach dem Zweitversterbenden bliebe.

Praxishinweis: Anders kann dies nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei in bestimmter Weise errichteten sogenannten Behindertentestamenten sein. In diesem Fall kann eine Pflichtteilsstrafklausel einschränkend auszulegen sein, d.h. sie wird nicht dadurch ausgelöst, dass der Sozialhilfeträger beim ersten Erbfall den übergeleiteten Pflichtteilsanspruch geltend macht. Insoweit kommt es aber auf die (richtige) Gestaltung des Behindertentestaments an.

Beitrag veröffentlicht am
6. Dezember 2021

Stichworte in diesem Beitrag

Diesen Beitrag teilen

Alle Fachbeiträge zeigen

unterschrift-signatur-vertrag-notar
AGB, Verbraucherrecht, Vertragsrecht
22.12.2025

„Es gelten die online abrufbaren AGB“ unzureichend

BGH: Verweis auf im Internet abrufbare AGB in einem Vertragsangebot ist unklar und unwirksam

Beitrag lesen
M&A, Mergers & Acquisitions, Gesellschaftsrecht
22.12.2025

Einbeziehung der Weinstein-Garantie: Wie Unternehmen #MeToo-Risiken bei Fusionen und Übernahmen reduzieren können (NLD)

Bei der Gestaltung von Übernahmeverträgen ist es ratsam, auch an mögliche #MeToo-Risiken zu denken, die der Käufer eingeht, und diese durch eine sogenannte Weinstein-Klausel zu überwinden.

Beitrag lesen
Familienrecht
22.12.2025

Gemeinsames Sorgerecht trotz Auslandsaufenthalt – E-Mail reicht aus

Kann ein Elternteil sein Sorgerecht auch dann wirksam ausüben, wenn er im Ausland lebt und überwiegend per E-Mail erreichbar ist? Mit dieser praxisrelevanten Frage hatte sich das Oberlandesgericht Karlsruhe zu befassen. In seinem Beschluss vom 16. Oktober 2025 stellt das Gericht klar: Moderne Kommunikationsmittel können genügen, um die elterliche Sorge tatsächlich wahrzunehmen – ein Ruhen des Sorgerechts kommt nur bei echten, dauerhaften Ausübungshindernissen in Betracht

Beitrag lesen