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Lohn ohne Arbeit? Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst

Bereitschaftsdienst

Ein Mitarbeiter, welcher sich am Arbeitsplatz bereithalten muss, um jederzeit die Arbeit aufnehmen zu können, leistet Bereitschaftsdienst . Dies trifft vor allem auf medizinisches Personal und Mitarbeiter im Rettungsdienst zu. Bereitschaftsdienst liegt immer dann vor, wenn der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber in der Wahl seines Aufenthaltsortes eingeschränkt ist und während der Zeit nicht in der Lage ist, seine Aktivitäten eigenständig zu planen oder auszuüben.

Rufbereitschaft

Die Rufbereitschaft ist ein Unterfall des Bereitschaftsdienstes. Der wesentliche Unterschied ist, dass sich der Arbeitnehmer nicht am Arbeitsplatz aufhalten muss, aber jederzeit für seinen Arbeitgeber erreichbar sein muss. Üblicherweise trifft dies auf z.B. Tierärzte oder Feuerwehrleute zu, welche sich zu Hause oder anderswo aufhalten und auf Zuruf alsbald bereit sein müssen, die Arbeit aufzunehmen. Sie sind also in ihrer Ortswahl und ihren Aktivitäten weniger stark eingeschränkt.

Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst gleich Arbeitszeit?

Beim Bereitschaftsdienst handelt es sich grundsätzlich um zu vergütende Arbeitszeit. Das Bundesarbeitsgericht hat bereits im Jahre 2016 festgelegt, dass Bereitschaftsdienst mit dem Mindestlohn zu vergüten ist. Bei der Rufbereitschaft handelt es sich grundsätzlich nicht um Arbeitszeit . Lediglich die Zeiten des Arbeitseinsatzes werden als Arbeitszeit gewertet und sind zu vergüten.

Ausnahme von der Regel

Eine Ausnahme von der Regel stellt die Rufbereitschaft dann dar, wenn der Arbeitnehmer innerhalb kurzer Zeit einsatzbereit sein muss, seine Arbeit aufzunehmen. Dies ist z.B. der Fall, wenn der Arbeitnehmer sein Arbeitsgerät mit Zuhause hat und dort darauf wartet zu einem Einsatz gerufen zu werden. Muss er dann innerhalb kürzester Zeit seine Arbeit aufnehmen, so kann die Rufbereitschaft als zu vergütende Arbeitszeit gewertet werden. Bezüglich der Höhe der Vergütung gibt es noch keine verbindlichen Regeln. Üblicherweise werden für Rufbereitschaften Pauschalen gezahlt. Man kann aber auch die Auffassung vertreten, dass Rufbereitschaft mit zumindest dem Mindestlohn zu vergüten ist.

Entscheidung des EuGH (Rechtssache C‑580/19)

Auch der europäische Gerichtshof schließt sich der dargestellten Rechtsauffassung an. In einer ganz neuen Entscheidung vom 09.03.2021, hat der EuGH festgestellt, dass Rufbereitschaft Arbeitszeit sein kann. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn die dem Arbeitnehmer auferlegten Einschränkungen ihn erheblich beschränken. Die entsprechenden Voraussetzungen lägen vor, wenn der Arbeitnehmer objektiv nicht mehr in der Lage ist seine Zeit „frei zu gestalten und sich in seinen eigenen Interessen zu widmen“. Leider hat der EuGH sich nicht dazu geäußert, in welcher Höhe Rufbereitschaftszeiten zu vergüten sind. Er hat jedoch klargestellt, dass der vorliegende Fall, welcher einen Feuerwehrmann betraf, auf andere Berufsgruppen übertragbar ist. Letztlich bleibt es jedoch immer eine Einzelfallentscheidung. Die Entscheidung des EuGH beruht auf einer Anfrage des Verwaltungsgerichtes Darmstadt ( VG Darmstadt, Beschluss vom 21.02.2019 - 1 K 1188/15.DA ) , welches jetzt erneut über die Sache zu entscheiden hat.

Beitrag veröffentlicht am
10. März 2021

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