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Der Zugang der Kündigung durch Einwurf in den Briefkasten

Das Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 22.08.2019 – 2 AZR 111/19, und das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein, Beschluss vom 01.04.2019 – 1Ta 29/19, haben sich  mit der Frage des Zugangs von Kündigungen bei Einwurf in den Hausbriefkasten beschäftigt.

Wann erfolgt der Zugang von für den Empfänger wichtigen Erklärungen (z.B. einer Kündigung), wenn diese per Brief erfolgen und dieser in den Hausbriefkasten eingeworfen wird. Hier kommt es darauf an, wann der Empfänger den Brief zur Kenntnis nimmt bzw. zur Kenntnis nehmen muss. Denn es besteht eine Pflicht, den Hausbriefkasten zu den üblichen Zeiten zu leeren und die Post zu sichten sowie für einen zeitnahen Zugang zu sorgen.

1.)  Der Zugang unter Abwesenden

In § 130 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist geregelt, wann eine Willenserklärung, z.B. ein Vertragsangebot oder eine Kündigung, wirksam wird, wenn der Empfänger der Nachricht nicht unmittelbar entgegennimmt.

Nach dem Gesetzeswortlaut und der Rechtsprechung geht eine solche Erklärung unter Abwesenden dann zu, wenn  der Empfänger die Erklärung erhält und den Inhalt wahrnimmt. Zum Schutz des Absenders erfolgt diese Wahrnehmung spätestens dann, wenn er mit der gewöhnlichen Entgegennahme der Nachricht rechnen durfte. Dabei kommt es aber nicht auf die Besonderheiten des Empfängers an. Vielmehr ist entscheidend, wann der Absender im Allgemeinen mit dem Zugang rechnen durfte. Wenn also beispielsweise einem Unternehmen während der üblichen Öffnungszeiten etwas zugefaxt wird, dann ist in der Regel, wenn das Fax ordnungsgemäß durchgegangen ist, von einem Zugang am selben Tag auszugehen. Verschickt man das Fax dagegen nachdem die Firma schon geschlossen hat, gilt das Fax erst am nächsten Tag, an dem das Geschäft wieder geöffnet hat, als zugegangen.

2.) Einwurf in den Briefkasten und Zugangszeitpunkt

Bei dem Einwurf in den Briefkasten gilt Entsprechendes. Die Erklärung, z.B. die Kündigung, gilt dann als zugegangen, wenn der Empfänger sie üblicherweise wahrnehmen müsste. Das Problem ist dabei festzustellen, wann der Empfänger sie üblicherweise wahrnehmen müsste. In diesem Zusammenhang stellt sich dann auch die Frage, wie es zu beurteilen ist, wenn der Empfänger der Post wegen Urlaub oder Krankheit nicht zuhause ist. 

3.) Zugang beim Nachhausekommen nach der Arbeit

Das BAG hatte in seiner Entscheidung zu klären, wann eine Kündigung zugeht, die am 27.01.2017 um 13:25 Uhr durch Mitarbeiter des Arbeitgebers in den Briefkasten eingeworfen worden war. Die übliche Postzustellung an dem Wohnort des Empfängers ist bis gegen 11:00 Uhr vormittags beendet. Der Arbeitnehmer meinte, er habe das Kündigungsschreiben erst nach dem Tag des Einwurfs zu Kenntnis nehmen können, da die normale Postzustellung schon vorbei war und er den Briefkasten schon geleert hatte. Dies sah die Vorinstanz aber anders. Sie meinte, es komme nicht auf die übliche Postzustellungszeit an, sondern auf die üblichen Gepflogenheiten an. Da viele Menschen berufstätig seien, würde der Briefkasten erst abends geleert und nicht zum Zeitpunkt der Beendigung der üblichen Postzustellung.

Das BAG hat aber zugunsten des Arbeitnehmers entschieden. Es komme, so das Gericht in seinen Ausführungen, sehr wohl auf die Postzustellungszeiten an dem Wohnort des Empfängers an. Da die Mehrzahl der Bewohner tagsüber nicht arbeiten seien, so das BAG, könne nicht auf darauf abgestellt werden, dass die Briefkästen heutzutage im Allgemeinen eher am späten Nachmittag bzw. frühen Abend geleert würden. Es könne sich nur etwas Anderes ergeben, wenn am Wohnort des Empfängers die dortigen Bewohner üblicherweise später ihre Briefkästen leeren würden oder andere Postzustellungsunternehmen in der Gegend die Post später als 13:25 Uhr in den Briefkasten werfen würden. Der Arbeitgeber habe daher nicht davon ausgehen dürfen, dass der Arbeitnehmer die Post noch am 27.01.2017 zur Kenntnis nehmen würde.

4.) Zugang trotz Kenntnis der Abwesenheit des Empfängers

Das LAG Schleswig-Holstein hatte sich dagegen mit der Frage zu beschäftigen, wann eine Kündigung zugeht, wenn der Arbeitgeber diese in den Briefkasten einwerfen lässt, obwohl er weiß, dass der Arbeitnehmer krankheitsbedingt länger nicht zuhause ist.

Auch hier kam es wieder darauf an, wann im Allgemeinen damit gerechnet werden durfte, wann der Arbeitnehmer als Empfänger der Kündigung von dem Inhalt der Post Kenntnis erlangen konnte. Das LAG weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass es Aufgabe des Empfängers der Post ist, die nötigen Vorkehrungen zu treffen, damit er von dem Inhalt auch Kenntnis erlangt. So ist z.B. ein Nachbar oder sonstiger Dritter mit der Leerung des Briefkastens und Übergabe der Post an den Empfänger zu beauftragen. Hier hätte der Empfänger Maßnahmen treffen müssen, damit er die Post rechtzeitig erhält. Macht er dieses nicht, so gilt die Kündigung trotzdem an dem Tag zugegangen, an dem er bei entsprechender Vorsorge von dem Inhalt hätte erfahren können. Dabei spiele es keine Rolle, dass der Arbeitgeber, von der Abwesenheit des Arbeitnehmers weiß. Denn der Arbeitgeber darf damit rechnen, dass der Arbeitnehmer ausreichend Vorkehrungen für die rechtzeitige Kenntnis vom Inhalt des Schreibens getroffen hat.

5.) Zusammenfassung

Der Zugang einer Kündigung unter Abwesenden kann einige Schwierigkeiten mit sich bringen. Daher gilt:

  • Eine Erklärung per Brief, also z.B. eine Kündigung, geht zu, wenn der Versender davon ausgehen durfte, dass der Empfänger die Nachricht erhalten hat und von dem Inhalt auch Kenntnis erlangt konnte.
  • Ein Brief im Briefkasten geht zu   der üblichen Zeit des Posteinwurfs in der betroffenen Gegend zu. Später eingeworfene Briefe (z.B. durch einen Boten) gehen erst am nächsten Tag zu.
  • Der Empfänger hat bei längerer Abwesenheit Vorkehrungen zu treffen, damit er vom Inhalt rechtzeitig Kenntnis erlangt. Um übliche Fristen, wie z.B. die einer Kündigungsschutzklage oder zur Erhebung eines Einspruchs gegen einen Steuerbescheid wahren zu können, sollte bei längeren Abwesenheiten (ab ca. 14 Tagen) unbedingt ein Dritter damit betraut werden, die Post rechtzeitig weiterzuleiten oder sonst zu ermöglichen, dass der Inhalt zugeht.
  • Der Arbeitgeber darf wegen der allgemeinen Verpflichtung zum Treffen entsprechender Vorkehrungen auch dann an den Hausbriefkasten zustellen, wenn er von der Abwesenheit des Arbeitnehmers Kenntnis hat.

Beitrag veröffentlicht am
4. Februar 2020

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