Kein Krankengeld ohne tatsächliche Arbeitsaufnahme – LSG zur Versicherungspflicht bei Erkrankung vor Arbeitsbeginn
Für einen Krankengeldanspruch muss eine versicherungspflichtige Beschäftigung bestehen. Fraglich ist, ob allein der Abschluss eines Arbeitsvertrags genügt oder ob die tatsächliche Arbeitsaufnahme erforderlich ist. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat diese Frage nun entschieden.
Sachverhalt
Ein Mann unterschrieb am 6. Oktober 2023 einen Arbeitsvertrag als Lagerist ab dem 1. November 2023 mit einer Vergütung von 3.000 € brutto monatlich. Am ersten Arbeitstag meldete er sich krank und nahm die Tätigkeit nie auf. Nach zwei Wochen kündigte ihm das Unternehmen innerhalb der Probezeit zum 30. November 2023.
Die Krankenkasse lehnte seinen Antrag auf Krankengeld ab, da er lediglich familienversichert gewesen sei und kein sozialversicherungspflichtiges Einkommen erzielt habe. Der Mann verklagte daraufhin seinen Arbeitgeber: Mit Abschluss des Arbeitsvertrags sei er versicherungspflichtig beschäftigt gewesen, auch ohne tatsächliche Arbeitsaufnahme. Der Arbeitgeber hätte ihn daher vom 1. bis 28. November zur Sozialversicherung anmelden müssen, was ihm Krankengeldansprüche ermöglicht hätte.
Allgemeine Voraussetzungen des Krankengeldanspruchs
Ein Anspruch auf Krankengeld nach § 44 Abs. 1 SGB V setzt eine Mitgliedschaft als pflichtversicherter Beschäftigter nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V voraus. Die Mitgliedschaft beginnt nach § 186 Abs. 1 SGB V mit dem Eintritt in das Beschäftigungsverhältnis. Nach gefestigter Rechtsprechung bedeutet dies:
- Vor 1998: tatsächliche Arbeitsaufnahme erforderlich.
- Ab 1998: Beschäftigung beginnt auch bei Erkrankung vor Arbeitsantritt, wenn Entgeltfortzahlung beansprucht werden kann.
Für neue Arbeitsverhältnisse gilt jedoch nach § 3 Abs. 3 EFZG eine vierwöchige Wartezeit, bevor Anspruch auf Entgeltfortzahlung entsteht.
Entscheidung des LSG
Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 21.01.2025 – L 16 KR 61/24) entschied:
- Allein der Arbeitsvertrag begründet kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis, wenn die Arbeit krankheitsbedingt nie aufgenommen wird und kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht.
- Nach § 3 Abs. 3 EFZG besteht in den ersten vier Wochen des Arbeitsverhältnisses kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung, sodass auch die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung als Beschäftigter nicht beginnt.
- Der Arbeitgeber musste den Kläger daher erst ab dem 29. November 2023 (Beginn der Lohnfortzahlungspflicht) zur Sozialversicherung anmelden.
Somit bestand kein Anspruch auf Krankengeld. Die Familienversicherung des Mannes hatte Vorrang; diese umfasst jedoch keinen Krankengeldanspruch.
Fazit
Das Urteil stellt klar: Ohne tatsächliche Arbeitsaufnahme und ohne Anspruch auf Entgeltfortzahlung entsteht keine Versicherungspflicht als Beschäftigter. Arbeitnehmer, die vor Arbeitsbeginn erkranken, sind nicht über die gesetzliche Krankenversicherung als Beschäftigte abgesichert und erhalten kein Krankengeld. Arbeitgeber müssen Beschäftigte erst anmelden, wenn die Tätigkeit aufgenommen oder Entgeltfortzahlung geschuldet wird.