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Kündigung während der Kurzarbeit: Möglichkeiten und Fallstricke

Die Kurzarbeit war zu Beginn der Corona-Krise für viele Arbeitgeber die einzige Möglichkeit, um massenhafte Kündigungen aufgrund der Umsatzeinbußen zu vermeiden. Doch was passiert, wenn sich die finanzielle Situation des Unternehmens auch im Anschluss nicht entspannt? Kann der Arbeitgeber dann eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen? Diese und weitere Fragen klärt der folgende Beitrag.

Kurzarbeit kann bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) beantragt werden, um kurzfristige finanzielle Schieflagen eines Unternehmens zu kompensieren. Die Arbeitnehmer erhalten dann in den ersten drei Monaten grundsätzlich 60 Prozent (Für Arbeitnehmer mit Kindern 67%) des Netto-Entgelts als Kurzarbeitergeld, ab dem vierten Monat kann der Betrag auf 70 Prozent (77%) und ab dem siebten Monat auf 80 Prozent (88) erhöht werden. Die BA erstattet dem Arbeitgeber das Kurzarbeitergeld sowie die Sozialversicherungsbeiträge abzüglich der Arbeitslosenversicherung.

Voraussetzung hierfür ist unter anderem ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall, verursacht etwa durch ein unabwendbares Ereignis wie die Corona-Pandemie. Befristet bis Ende 2020 ist es für einen Antrag auf Kurzarbeit ausreichend, dass mindestens 10 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Entgeltausfall von mehr als 10 Prozent im jeweiligen Kalendermonat haben.

Kurzarbeitergeld kann derzeit längstens für die Dauer von 12 Monaten bezogen werden. Ein Gesetzesentwurf zur Verlängerung auf bis zu 24 Monate ist aktuell in Vorbereitung. Befristet bis zum 31.12.2020 können Beschäftigte unter bestimmten Voraussetzungen 21 Monate lang die Bezüge erhalten.

  1. Kündigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers
  2. Betriebsbedingte Kündigung
  3. Während Kurzarbeit: Weitere Umstände erforderlich
  4. Ausschöpfung aller anderen Möglichkeiten
  5. Fazit und Praxishinweise

Kündigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers

Grundsätzlich kann der Arbeitgeber die Kündigung auf das Verhalten des Arbeitnehmers (verhaltensbedingte Kündigung), auf Gründe in der Person des Arbeitnehmers (personenbedingte Kündigung) sowie auf betriebliche Gründe (betriebsbedingte Kündigung) stützen.

Sowohl eine verhaltensbedingte Kündigung als auch eine personenbedingte Kündigung sind auch während der Kurzarbeit innerhalb der gesetzlichen Grenzen zulässig. Insbesondere müssen dabei die Vorgaben des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) beachtet werden.

Personen- oder verhaltensbedingte Kündigungsgründe liegen etwa dann vor, wenn der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt hat oder die Kündigung aus sonstigen in seiner Person liegenden Gründen erforderlich ist, etwa aufgrund der fehlenden fachlichen oder persönlichen Eignung. Grundlage einer solchen Kündigung sind Umstände, die in keinerlei Zusammenhang mit der Kurzarbeit stehen.

Betriebsbedingte Kündigung

Eine betriebsbedingte Kündigung, also eine Kündigung, die aus der Sphäre des Arbeitgebers stand, kommt etwa in Betracht, wenn der Arbeitgeber seinen Betrieb oder eine Abteilung schließt oder verkleinert. Sie muss aus dringenden betrieblichen Gründen geboten sein, das heißt der Bedarf für eine Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers im Betrieb muss voraussichtlich dauerhaft entfallen.

Auch Umstrukturierungen des Unternehmens können eine betriebsbedingte Kündigung begründen. Eine betriebsbedingte Kündigung muss aber immer nach dem KSchG sozial gerecht fertigt sein. Der betroffene Arbeitnehmer muss unter Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte wie beispielsweise der Dauer der Betriebszugehörigkeit sowie etwaiger Unterhaltspflichten im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern am wenigsten schutzwürdig sein.

(Das KSchG ist nur anwendbar, wenn der Betrieb regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt und der gekündigte Arbeitnehmer mindestens sechs Monate dort beschäftigt war.)

Während Kurzarbeit: Weitere Umstände erforderlich

Grundsätzlich können sich die dringenden betrieblichen Erfordernisse zur Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung auch aus außerbetrieblichen Gründen ergeben, also etwa wegen eines Auftragsverlusts oder eines reduzierten Auftragsbestands. Voraussetzung für eine solche Kündigung ist aber immer, dass der Arbeitsanfall dauerhaft so zurückgegangen ist, dass kein Bedürfnis für eine Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer mehr besteht. Grundsätzlich könnten die Auswirkungen der Corona-Krise deshalb eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn dauerhaft nicht mehr mit einer Auftragssteigerung zu rechnen wäre.

Bereits im Jahr 2012 (2 AZR 548/10) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass eine betriebsbedingte Kündigung auch auf zukünftige, aber bereits jetzt konkrete und greifbare Entwicklungen gestützt werden kann. Zum Zeitpunkt der Kündigung muss sich aus einer vernünftigen betriebswirtschaftlichen Prognose ergeben, dass nach Ablauf der Kündigungsfrist ein geringerer Personalbedarf besteht, also ein dringendes betriebliches Erfordernis vorliegt. Hierfür sind konkrete Tatsachen erforderlich, bloße Vermutungen des Arbeitgebers reichen nicht aus.

Bei der Zukunftsprognose ist insbesondere auch eine schon vereinbarte oder künftig zu erwartende Kurzarbeit zu berücksichtigen. Bei der Kurzarbeit gehen die Parteien nämlich gerade nicht von einem dauerhaft gesunkenen Arbeitsbedarf aus, sondern nehmen einen nur vorübergehenden Arbeitsmangel an. Deshalb kann eine Kündigung grundsätzlich nicht auf die gleichen Gründe gestützt werden, aus denen die Kurzarbeit eingeführt worden ist. Dann wäre die Kündigung zudem sozialwidrig, denn es dürfte an einem dringenden betrieblichen Erfordernis fehlen.

Wenn während der Kurzarbeit jedoch weitere Umstände eintreten oder sich die wirtschaftliche Situation des Unternehmens auf Dauer negativ verändert, kann trotz der Kurzarbeit ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Kündigung vorliegen. Wenn der Arbeitgeber aufgrund dieser Veränderungen von einem dauerhaften statt nur von einem vorübergehenden geringeren Arbeitsanfall ausgehen darf, kann er ¬– wenn die weiteren Voraussetzungen vorliegen – betriebsbedingte Kündigungen aussprechen.

Ausschöpfung aller anderen Möglichkeiten

Vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber zudem alle anderen Möglichkeiten zur Vermeidung des Personalabbaus ausschöpfen. Ansonsten fehlt es an der erforderlichen Dringlichkeit. Flexible Arbeitszeitregelungen etwa sind bei geringerem Arbeitsanfall vorrangig in Erwägung zu ziehen. Wenn die Parteien die vertraglich geschuldete Arbeitszeit durch die Kurzarbeit derart reduziert haben, dass der Ausspruch betriebsbedingter Kündigung gerade entbehrlich wird, sind nach dem BAG besondere Anforderungen an ein dringendes betriebliches Erfordernis zu stellen. Es liegt nur dann vor, wenn der Arbeitgeber die Möglichkeit zur Arbeitszeitreduzierung voll ausgeschöpft hat und gleichwohl noch ein Beschäftigungsüberhang besteht (vgl. etwa BAG vom 8. November 2007, 2 AZR 418/06).

Zu beachten ist jedoch, dass betriebsbedingte Kündigungen während der Kurzarbeit durch Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge generell ausgeschlossen werden können. Hier ist besondere Vorsicht geboten.

Fazit und Praxishinweise

Wenn sich in Ihrem Unternehmen die Notwendigkeit eines Stellenabbaus abzeichnet, sollten Sie die Kurzarbeit möglichst vermeiden. Denn im Falle eines Rechtsstreits über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber nach dem KSchG die Voraussetzungen eines Kündigungsgrundes beweisen. Bei einer Kündigung während der Kurzarbeit bedeutet das, dass er den langfristigen geringeren Personalbedarf anhand von konkreten Tatsachen oder Zahlen belegen muss. So können der dauerhafte Wegfall von Aufträgen oder auch die Beendigung von Geschäftsbeziehungen zu Großkunden und daraus resultierende Umsatzeinbußen betriebsbedingte Kündigungen rechtfertigen, wenn sie sich erst nach Einführung der Kurzarbeit abzeichnen.

Gerade bei der Kurzarbeit sind erhöhte Anforderungen an den Vortrag des Arbeitgebers zu stellen, denn diese begründet zunächst nur einen vorübergehenden Beschäftigungswegfall. Eine wirksame betriebsbedingte Kündigung nach Einführung der Kurzarbeit liegt nur dann vor, wenn die Kündigung auf Umständen beruht, die nicht schon zur Kurzarbeit geführt haben.

Beitrag veröffentlicht am
19. Oktober 2020

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