Verkehrsrecht Haftung bei Unfällen zwischen geparkten Fahrzeugen?
Zwei Autos wurden hintereinander auf einem abschüssigen Parkstreifen geparkt. Der hintere Wagen ist danach offenbar in das vordere Auto gerollt. Der Halter des vorderen Autos verlangt nun Schadensersatz und stützt sich dabei auf die Betriebsgefahr des hinteren Wagens. Zu Recht?
Sachverhalt
Zwei Autos standen hintereinander auf einem Parkstreifen, die Straße wies ein leichtes Gefälle auf. Aus zunächst ungeklärtem Grund stießen die Autos zusammen, dabei wurde der vordere Wagen am Heck beschädigt. Dafür verlangte die Kfz-Halterin vom Eigentümer des hinteren Wagens Schadenersatz. Offenkundig sei sein Fahrzeug nach vorne gegen ihr Auto gerollt, also nicht sicher abgestellt gewesen.
Offenkundig sei hier gar nichts, erwiderte der Kontrahent: Er habe den ersten Gang eingelegt und die Handbremse angezogen, also das Fahrzeug sicher abgestellt. Der Schaden könne auch beim Rückwärtsfahren mit dem vorderen Auto entstanden sein. Wenn aber nicht feststehe, was genau passiert sei, hafte er gemäß Straßenverkehrsrecht nur für die Hälfte des Schadens.
Gefährdungshaftung im Straßenverkehr
Im allgemeinen Zivilrecht setzt ein Schadensersatzanspruch voraus, dass der andere durch sein Verhalten vorsätzlich vorsätzlich oder fahrlässig ein Rechtsgut verletzt hat. Der Kläger muss dies grundsätzlich darlegen und beweisen.
Im Straßenverkehr gilt jedoch für Halter eines Fahrzeugs gem. § 7 Abs. 1 StVG eine sogenannte Gefährdungshaftung. Es genügt bereits, dass beim Betrieb des Kraftfahrzeugs eine Sache beschädigt wird, auch wenn dem Halter weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit nachgewiesen werden kann.
Wesentliche Voraussetzung ist aber, dass sich die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs verwirklicht hat. Dies ist nach der Rechtsprechung dann der Fall, wenn sich das Kraftfahrzeug im öffentlichen Verkehrsraum oder auf privatem Gelände bewegt oder in verkehrsbeeinflussender Weise ruht. Dabei kann auch von einem parkenden Auto eine Betriebsgefahr ausgehen, sofern ein naher örtlicher und zeitlicher Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang im öffentlichen Straßenverkehr besteht.
Ausgeschlossen ist die Haftung lediglich, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wurde (§ 7 Abs. 2 StVG). Das ist der Fall, wenn ein Ereignis betriebsfremd ist, von außen kommt und nach menschlicher Einsicht als unvorhersehbar erscheint, z.B. Naturgewalten oder nicht vorhersehbares, nicht beeinflussbares Verhalten Dritter.
Wenn mehrere Kraftfahrzeuge beteiligt sind, bestimmt sich das Verhältnis der Haftung untereinander nach § 17 I und II StVG. Dabei kommt es dann darauf an, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist, also inwiefern sich die Betriebsgefahr realisiert hat. Die andere Seite haftet jedoch zu 100%, wenn der Schaden für den Halter auf einem unabwendbaren Ereignis beruht (§ 17 Abs. 3 StVG). Maßstab ist dabei ein Idealfahrer.
Entscheidung des LG Lübeck
Das Landgericht Lübeck kam zu dem Entschluss, dass hier recht offensichtlich ein Fall der Gefährdungshaftung iSd § 7 StVG vorlag. Problematischer war jedoch die Bestimmung der Haftungsquote .
Laut eines vom Landgericht Lübeck beauftragten Sachverständigen sei der hintere Wagen zweifellos gegen das vordere Auto gerollt. Anders sei nämlich der Schaden am Heck nicht vernünftig zu erklären. Das zeige die technische Prüfung des Heckschadens und dieses Ergebnis passe auch zu den „örtlichen Gegebenheiten“. Außerdem sei es durchaus möglich, dass sich eine angezogene Handbremse auch nach Stunden löse.
Aufgrund des Unfallgutachtens stand für das Landgericht fest, dass für das vorne parkende Auto der Unfall unvermeidbar war. Gem. § 17 Abs. 3 StVG muss der Halter des zweiten Wagens bzw. dessen Kfz-Haftpflichtversicherung den Schaden daher in voller Höhe übernehmen.
Quelle: Urteil des Landgerichts Lübeck vom 02.11.2023 – 14 S 113/22