Viele Kanzleien. Ein starkes Netzwerk.
Aktuelles
Neues aus Markt und Netzwerk
 

Strafrecht „Verpisst euch!“: Beleidigung Ja oder nein?

Mit der Frage, ob die Aufforderung „Verpisst euch!“ eine Beleidung darstellt, hatte sich das Amtsgericht Dortmund (Urt. v. 04.02.2020 – 767 Ls-600 Js 445/19) zu beschäftigen. Das Amtsgericht sagt: Nein, „verpisst euch“ sei „tragbares Umgangsdeutsch“ und stelle keine Beleidigung dar.

Um die Frage zu beantworten, hat das Amtsgericht eine Internetrecherche betrieben. Zunächst befasste sich das Amtsgericht mit der Bedeutung der Aufforderung. Die Aufforderung „verpisst euch“ entspräche, so das Amtsgericht, in etwa den Formulierungen „Verschwindet! Geht weg! Haut ab!“ und habe die Bedeutung, dass die angesprochene Person sich von einem Ort entfernen solle.

Sodann stieß das Amtsgericht bei seiner Recherche als einen der „vordersten Suchbegriffe“ auf den Udo Lindeberg-Song „Pink Panther“ aus dem Jahr 1992 mit der Liedzeile „Faschos verpisst euch“ sowie Plakate der Berliner CDU mit dem gegen Drogendealer gerichteten Slogan „Verpisst euch! Wir klauen euren Scheiß aus euren Verstecken! Haut ab!“. U.a. hieraus schloss das Amtsgericht, dass es sich bei der Aufforderung „verpisst euch“ um eine möglicherweise bei weiten Teilen der Bevölkerung sowie tragenden Parteien der Republik verbreitete Wortwahl für ein tragbares Umgangsdeutsch handle. Das Amtsgericht kommt des Weiteren zu dem Schluss, dass derartige Umgangstöne „üblich und gesellschaftlich gebilligt oder gar erwünscht“ seien.

Auch wenn das Amtsgericht in der Aufforderung „Verpisst euch!“ wohl keine Beleidigung sieht, hat es gleichwohl nicht aus rechtlichen Gründen, sondern aus tatsächlichen Gründen freigesprochen: Nach der Überzeugung des Amtsgerichts wurde zwar die Aufforderung „Verpisst euch!“ ausgesprochen, es habe dem Angeklagten jedoch nicht nachgewiesen werden können, dass er derjenige war, an den die Aufforderung gerichtet war.

Ob es sich bei der Aufforderung „Verpisst euch!“ um ein „tragbares Umgangsdeutsch“ handle und derartige Umgangstöne „üblich und gesellschaftlich gebilligt oder gar erwünscht“ sind, darf bezweifelt werden, ebenso, dass andere Gerichte die Auffassung des Amtsgerichts Dortmund teilen. Auch wenn man über die Entscheidung des Amtsgerichts schmunzeln kann, sollte man, will man sich nicht dem Vorwurf der Beleidigung aussetzen, niemanden auffordern, sich zu verpissen.

Beitrag veröffentlicht am
25. Juli 2020

Diesen Beitrag teilen

Alle Fachbeiträge zeigen

Finanzrecht
03.11.2025

Ausbildung an privater Fernuniversität: Kindergeldanspruch für studierenden Sprössling

Auch für ein bereits erwachsenes Kind können Sie noch Kindergeld erhalten - unter bestimmten Voraussetzungen. Etwa wenn das Kind noch studiert. Aber sind an ein solches Studium ebenfalls bestimmte Voraussetzungen geknüpft? Im Streitfall bemängelte die Familienkasse, das Studium werde nicht ernsthaft betrieben. Daher stellte sich die Frage, ob an ein Studium an einer privaten (Fern-)Universität strengere Anforderungen zu stellen sind als an ein Studium an einer staatlichen Hochschule. Das Finanzgericht Münster (FG) musste hierzu entscheiden.

Beitrag lesen
computer online kauf shopping
Internetrecht
31.10.2025

Ab Juni 2026: Die gesetzliche Pflicht zum Widerrufsbutton im Online-Handel – Was Unternehmen beachten müssen

Ab Juni 2026 müssen Online-Händler eine wesentliche Neuerung beachten: Für alle, die online Verträge mit Verbrauchern abschließen, gilt künftig die Pflicht, einen sogenannten Widerrufsbutton bereitzustellen. Damit setzt der deutsche Gesetzgeber die europäische Richtlinie 2023/2673 um. Noch liegt das konkrete Umsetzungsgesetz nicht vor, dennoch ist klar: Die Pflicht wird nahezu alle betreffen, die nicht unter klar definierte Ausnahmen fallen. Jetzt gilt es zu prüfen, ob Ihr Unternehmen betroffen ist und rechtzeitig die Weichen für eine gesetzeskonforme Umsetzung zu stellen. Im Folgenden geben wir einen praxisorientierten Überblick zu Anwendungsbereich, Ausnahmen, technischen und rechtlichen Umsetzungspflichten sowie wichtigen Schritten zur Vorbereitung.

Beitrag lesen
Gesellschaft Meeting Büro
Gesellschaftsrecht, Insolvenzrecht
30.10.2025

Sicherung von Verbindlichkeiten der GmbH durch den Gesellschafter

Die Sicherung von Verbindlichkeiten der GmbH durch den Gesellschafter ist insbesondere im Kontext einer etwaigen Insolvenz von erheblicher Bedeutung. Gesellschafter sehen sich hierbei mit besonderen rechtlichen und finanziellen Risiken konfrontiert, wenn sie für Schulden der Gesellschaft persönliche Sicherheiten stellen.

Beitrag lesen