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BGH schärft zu Lasten des Verkäufers schadenersatzbewehrte Aufklärungspflichten in Due Diligence Prüfungen

Bundesgerichts (BGH) schärft zu Lasten des Verkäufers schadenersatzbewehrte Aufklärungspflichten in Due Diligence Prüfungen bei der Einrichtung und der Nutzung von Datenräumen; die Struktur und das Management von Due Diligence Verfahren sind daher qualitativ anzupassen.

BGB § 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 311 Abs. 2

Auch wenn das Gesetz keine Pflicht zur Untersuchung des Kaufobjektes vor dessen Übergabe bzw. Ablieferung (vgl. § 377 I HGB) kennt, entspricht es guter unternehmerischer Praxis vor dem Erwerb komplexer Sach- und Rechtsgesamtheiten, bspw. Unternehmen, oder vor dem Erwerb von wirtschaftlich sehr bedeuteten Wirtschaftsgütern, bspw. Immobilien, diese einer Due Diligence Prüfung (Commercial, Tax, Legal, Technik, u.a.) zu unterziehen. Für Geschäftsführer oder Vorstände von Kapitalgesellschaften verdichtet sich diese Praxis sogar aus Gründen der Compliance und der Organhaftungsverantwortlichkeiten zu einer Pflicht, sollte das Erwerbsobjekt nicht von ganz untergeordneter Bedeutung (in Bezug auf rechtliche oder wirtschaftliche Risiken) sein.

In Due Diligence Prüfungen stellt der Verkäufer auf Anforderung des Kaufinteressenten Daten, (Original-) Unterlagen und Auswertungen in Bezug auf das Kaufobjekt im Regelfall in virtuellen Datenräumen zusammen. Beauftragte Berater des Erwerbers oder manchmal der Erwerber selbst, bewerten die Inhalte dann vor Umsetzung der Kaufentscheidung.

Der BGH hatte nun mit Urteil vom 15.09.2023, Az. V ZR 77/22, Gelegenheit, die Pflichten des Verkäufers dahingehend zu schärfen, dass es bei bedeutenden Informationen schadenersatzrechtlich nicht ausreicht, diese „nur“ im Datenraum zu hinterlegen. Den Verkäufer können Offenbarungs- und Erläuterungspflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) treffen, deren Verletzung Schadenersatzansprüche eröffnen (§ 280 Abs.1 BGB), denn ein vertragliches Schuldverhältnis mit Rechten und Pflichten entsteht nicht erst mit Vertragsschluss, sondern mit Aufnahme von Vertragsverhandlungen oder der Vertragsanbahnung, (§ 311 Abs.1 BGB).

Was war geschehen?

Eine Immobilientransaktion betraf mehrere Gewerbeeinheiten in einem großen Gebäudekomplex. Der Kaufpreis betrug rund 1,5 Mio. €. Der Kaufvertrag schloss die Sachmängelgewährleistung aus und beinhaltete eine Erklärung des Verkäufers, dass in der Eigentümergemeinschaft keine Beschlüsse gefasst worden seien, aus denen sich eine künftig fällige Sonderumlage ergeben. Auch versicherte der Verkäufer, dass ihr nicht bekannt sei, dass weitere außergewöhnliche Kosten außerhalb des Betrages der Instandhaltungsrücklage bevorstünden oder weitere Sonderumlagen beschlossen worden seien. Der Verkäufer hatte drei Tage vor Beurkundung in den noch offenen Datenraum die Beschlusssammlung der Eigentümergemeinschaft der vergangenen 12 Jahre eingestellt. Diese enthielt ein drei Jahre altes Protokoll, die Mehrheitseigentümerin auf Zahlung von 50 Mio. € zur Umsetzung eines vor Jahren beschlossenen Sanierungskonzeptes in Anspruch zu nehmen. Ein Miteigentümer hatte hierzu Klage eingereicht, welche ein Jahr nach der hier relevanten Veräußerung in einem Vergleich mündete, demzufolge von den Eigentümern der Gewerbeeinheiten eine Sonderumlage von zunächst 750.000 €, bei Bedarf bis zu 50 Mio. € für die Sanierung erhoben werden sollte. Der Klägerin war dies bei Beurkundung des Immobilienkaufvertrages nicht bekannt gewesen.

BGH erkennt Schadenersatzanspruch gem. § 280 I in Verbindung mit §§ 311 II, 241 II BGB zu!

Der BGH zieht in diesem Fall einen Schadenersatzanspruch unter drei Gesichtspunkten in Betracht:

1. Wegen unzutreffender Erklärung des Verkäufers im Kaufvertrag

Zwar muss bei Vertragsverhandlungen, in denen die Beteiligten entgegengesetzte Interessen verfolgen, nicht jeder Umstand, der für den anderen nachteilig sein könnte, offenbart werden. Macht der Verkäufer jedoch tatsächliche Angaben, die für den Kaufentschluss des anderen Teils von Bedeutung sein können, so müssen diese richtig sein, und zwar auch dann, wenn eine Offenbarungspflicht nicht bestand. Handelt es sich dabei um eine Wissenserklärungen oder Wissensmitteilung haftet der Verkäufer dafür, dass seine Angaben richtig und vollständig sind (vgl. auch BGH, Urteil vom 12. März 2008 – VIII ZR 253/05, NJW 2008, 1517 Rn. 16).Unabhängig von einer Haftung aus subjektiven Garantieerklärungen, die sich häufig in Unternehmenskaufverträgen finden, kann sich daher aus der vorgenannten Rechtsprechung eine Haftung für Wissenserklärungen außerhalb der Garantiekataloge ergeben. An dieser Stelle ist mit den rechtlichen Beratern abzustimmen, in wie weit derartige Haftungstatbestände rechtlich ausgeschlossen werden können.

2. Wegen unrichtiger oder unvollständiger Antwort des Verkäufers auf Fragen des Käufers

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist ein Verkäufer – wiederum unabhängig vom Bestehen einer Offenbarungspflicht – verpflichtet, Fragen des Käufers richtig und vollständig zu beantworten (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2019 – V ZR 73/18, ZfIR 2019, 846 Rn. 25).Bereits aus diesem Grunde ist es wichtig, in Due Diligence Prüfungen, sinnvoll und auskömmlich Fragen zu stellen und die Antworten zu dokumentieren. Verschulden der beauftragen Berater des Verkäufers hat sich der Verkäufer gem. § 278 BGB zurechnen zu lassen.

3. Wegen unterbliebener Aufklärung durch den Verkäufer über offenbarungspflichtige Umstände

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung besteht bei Vertragsverhandlungen zwar keine allgemeine Rechtspflicht, den anderen Teil über alle Einzelheiten und Umstände aufzuklären, die dessen Willensentschließung beeinflussen könnten. Grundsätzlich ist jeder Verhandlungspartner für sein rechtsgeschäftliches Handeln selbst verantwortlich und muss sich deshalb die für die eigene Willensentscheidung notwendigen Informationen auf eigene Kosten und eigenes Risiko selbst beschaffen. Allerdings besteht auch bei Vertragsverhandlungen für jeden Vertragspartner die Pflicht, den anderen Teil über Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck des anderen vereiteln können und daher für seinen Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Vertragsanschauung redlicherweise erwarten darf (vgl. BGH, Urteil vom 11. August 2010 – XII ZR 192/08, NJW 2010, 3362 Rn. 21). Ein solcher Umstand kann auch dann vorliegen, wenn er geeignet ist, dem Vertragspartner erheblichen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen (BGH, Urteil vom 11. August 2010 – XII ZR 192/08, aaO Rn. 21).

Bedeutung für die Praxis – Aufklärungspflicht bei elektronischen Datenräumen

Das Urteil ist wichtig für die Organisation und das bespielen von elektronischen Datenräumen aus Sicht der verkaufenden Partei. Es reicht nicht aus, Dokumente und Sachverhalte durch bloßes Einstellen in den Datenraum vermeintlich zu offenbaren. Solche Sachverhalte, die aus Sicht des Verkäufers für den Käufer derart rechtlich oder wirtschaftlich relevant sind, dass der Verkäufer davon ausgehen muss, dass der Käufer bei Kenntnis dieser Sachverhalte wesentliche vertragsbezogene Entscheidungen zum Nachteil des Verkäufers trifft, muss der Verkäufer gegenüber dem Käufer gesondert aufklären. Der Verkäufer muss sich ergeben, dass der Käufer von diesem Sachverhalt Kenntnis erlangt hat.

Zwar ist das Urteil zu einem Immobilien-Sachverhalt ergangen, doch lässt sich das Urteil ohne Schwierigkeiten über den Bereich des Immobilienrecht hinaus auf Unternehmenskontraktion anwenden. Der Verkäufer muss, um eine eigene Schadensersatzhaftung zu umgehen, durch geeignete zeitliche und ordnende Prozesse in Bezug auf den Datenraum sichergehen, dass der Käufer von derartigen Sachverhalten Kenntnis erlangt. Elektronische Datenräume erlauben, Dokumente sehr flexibel zeitlich wie strukturell einzustellen. Dieses Verfahren muss und viel stärker als früher aus Sicht des Verkäufers geordnet und planvoll ablaufen und bedarf daher auch besonderer Vorbereitung. Insbesondere sind derart relevante Unterlagen gesondert zu erläutern, die zeitlich kurzfristig vor der Vertragsunterschrift in den Datenraum eingestellt werden. Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil klargestellt, dass der Verkäufer in diesen Fällen nicht davon ausgehen kann, dass der Käufer derartige Unterlagen zur Kenntnis genommen und in Vorbereitung einer Vertragserklärung gewürdigt hat. Jedenfalls führt ein Verstoß gegen derartige Aufklärungspflichten zu einer Schadensersatzhaftung des Verkäufers.

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