Arbeitsrecht Schweiz Variabler Lohn - zwischen Anreiz und Verpflichtung (CH)
Welche Fallstricke und Tücken hat der Arbeitgeber bei variablen Löhnen zu beachten? Nach folgend wird im Rahmen eines kurzen Rundfluges auf den Bonus und die häufigsten Fragen dazu Bezug genommen.
Nach erfolgreichem Abschluss einer Weiterbildung ist der Einsatz der erlangten Fähigkeiten am Arbeitsplatz einer der wichtigsten Punkte, um Mitarbeitende zum Verbleib im Unternehmen zu bewegen (vergleiche «KMU-Magazin» Nr. 7/8 2021, Seite 35 ff.). Einher geht jedoch häufig auch der Wunsch nach einer Anpassung des Lohnes. Abgesehen von dem Grundlohn (und Zulagen), welcher erhöht werden könnte, stehen weitere Entschädigungskomponenten zur Verfügung. Neben dem Bonus und der freiwilligen Sondervergütung sind bei international tätigen Unternehmen häufig Mitarbeiterbeteiligungsprogramme vorhanden; diese werden nachfolgend aber nicht weiter beleuchtet.
Vertragsfreiheit, aber …
Das schweizerische Arbeitsrecht verbietet es den Parteien nicht, vom Gesetz abzuweichen und eigenständige Begriffe und Formulierungen zu verwenden. Die Begriffe «Bonus» oder «Prämie» beispielsweise sind gesetzlich nicht geregelte Termini. Trotz der Vertragsfreiheit werden aber alle vertraglichen Regelungen immer rechtlich unter das schweizerische Lohnsystem zu subsumieren sein, um feststellen zu können, ob es sich bei der getroffenen Regelung um eine geschuldete Leistung oder eine freiwillige, im Ermessen des Arbeitgebers liegende Verpflichtung handelt.
Je nachdem, ob die Leistung geschuldet ist oder nicht, ergeben sich andere Rechtsfolgen. Handelt es sich um eine freiwillige Leistung (sogenannte echte Gratifikation nach Art. 322d OR), muss diese weder bei der Lohnfortzahlung infolge unverschuldeter Arbeitsverhinderung noch bei der Berechnung des Ferienlohnes noch bei unterjährigen Arbeitsverhältnissen noch bei deren Abänderung speziell berücksichtigt werden. Die echte Gratifikation kann zudem mit Bedingungen verknüpft werden, so beispielsweise, dass nur bei einem ungekündigten Arbeitsverhältnis eine Auszahlung erfolgt. Dies kann, insbesondere vor dem Hintergrund des Diskriminierungsgrundsatzes, von Bedeutung sein.
Ganz anders jedoch, wenn die Leistung geschuldet ist. Dann sind die vorgenannten Rechtsfolgen streng zu beachten.
Insofern ergibt sich, dass mit der freien Begriffswahl wie Bonus oder Prämie die Parteien den Vertragsinhalt genau zu analysieren haben, um abschätzen zu können, ob beispielsweise beim Stellenwechsel ein Pro-rata-Anspruch besteht, welcher erfüllt werden muss. Und genau hier scheiden sich häufig die Geister und die Parteien streiten schliesslich vor Gericht, ob der «Bonus» nun geschuldet ist oder nicht.
Grundpfeiler der Entschädigung
Im schweizerischen Arbeitsrecht gibt es absolut und relativ zwingende Gesetzesbestimmungen. Der im Arbeitsrecht erfahrenen Leserschaft werden dabei die Art. 361 und Art. 362 OR in den Sinn kommen. In diesen beiden Artikeln lässt sich überprüfen, ob die infrage stehende arbeitsrechtliche Bestimmung von den Parteien gar nicht oder nur zugunsten des Mitarbeitenden abgeändert werden darf.
Pikanterweise ist in dieser Liste die Grundnorm des Lohnes (Art. 322 OR) nicht enthalten. Aufgrund der objektiv wesentlichen Vertragsbestandteile ist der Arbeitsvertrag aber immer entgeltlich, was durch das Bundesgericht bestätigt worden ist. Gratis-Arbeit im Sinne eines Arbeitsvertrages gibt es nicht, rechtlich gesehen müssen solche Konstellationen über Gefälligkeiten, den unentgeltlichen Auftrag oder eine Geschäftsführung ohne Auftrag abgehandelt werden. Welche sind nun neben der Grundnorm die Grundpfeiler der Lohnarten, die beachtet werden müssen?
Die Abbildung «Grundpfeiler der Entschädigung» soll dabei das Verständnis fördern. Wie die Übersicht zeigt, schlummert insbesondere bei den unechten Gratifikationen Konfliktpotenzial, da diese geschuldet sind.
Variable Entschädigungen
Im Rahmen der Vertragsverhandlungen soll häufig dem Bedürfnis des Mitarbeitenden nach einer variablen Entschädigung Genüge getan werden. Bei einer guten Performance soll nach Abschluss des Kalenderjahres eine entsprechende finanzielle Entschädigung ausgerichtet werden. Auf der anderen Seite will sich der Arbeitgeber in gewissen Fällen vorbehalten, den Bonus nicht bezahlen zu müssen. Zu denken ist beispielsweise an eine angespannte Liquiditätssituation oder an Fälle, wo der Mitarbeitende aufgrund seiner Kündigung unterjährig aus dem Betrieb ausscheidet und eine lineare Betrachtungsweise des Erfolges bei den meisten Betrieben nicht der Realität entspricht.
Obwohl mit der Erstellung eines Zwischenabschlusses theoretisch diese Problematik gelöst werden könnte, erscheint es unverhältnismässig, eine solche zu erstellen, wenn ein Mitarbeitender ausscheidet. In der Hoffnung, diesen sich widersprechenden Interessen Genüge zu tun, werden in der Praxis häufig Vertragsbestandteile aus variablem Lohn und echter und unechter Gratifikation vermischt und erschweren im Ergebnis eine klare Beurteilung darüber, ob der Bonus nun geschuldet ist oder nicht.
Regelmässig ist jedoch im Ergebnis eine Tendenz festzustellen, dass der Bonus geschuldet ist. Hervorzuheben ist, dass insbesondere Boni, die an eine Zielvereinbarung geknüpft sind, häufig deshalb geschuldet sind, weil der Arbeitgeber beispielsweise schlichtweg nur im ersten Jahr eine solche erstellt hat und in den Folgejahren es misslich unterlässt, neue Zielvereinbarungen abzuschliessen. Obwohl dazu unterschiedliche Lehrmeinungen bestehen, werden solche Konstellationen vor Gericht häufig zulasten des Arbeitgebers ausgelegt und der Bonus ist vollumfänglich (!) geschuldet.
Unechte Gratifikation
Diejenigen Fälle, in denen ein Bonus nicht oder nur in sehr beschränktem Umfang geschuldet ist, zeichnen sich durch folgende Charakteristika aus: der Bonus ist zwar geschuldet, aber in der Höhe ist die Sondervergütung unbestimmt und lässt sich anhand objektiver Kriterien nicht bestimmen, weil deren Bestimmung im freien Ermessen des Arbeitgebers liegt. Diese Konzepte finden sich häufig bei Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen.
Es ist eindeutig vereinbart, dass der Arbeitgeber sowohl über den Anspruch wie auch dessen Höhe im freien Ermessen entscheidet. Bedauerlicherweise finden sich aber immer wieder Fälle, wo in den letzten Absätzen der entsprechenden Klausel dieses Freiwilligkeitskonzept in sträflicher Weise gekippt wird. Sei es, dass das Ermessen des Arbeitgebers durch eine Anknüpfung an objektive Kriterien oder durch Minimalbeträge des Bonus aufgegeben wird.
Vom Bonus zum Lohn
Selbst für den Fall, dass die Vertragsauslegung ergibt, dass der Bonus nicht geschuldet ist, kann dieser zu Lohn mutieren. So liegt Lohn vor, wenn eine Gratifikation mehr als auf drei aneinanderfolgende Jahre ohne Freiwilligkeitsvorbehalt ausbezahlt wird, oder wenn trotz Freiwilligkeitsvorbehalt dies mehr als zehn Jahre erfolgt. In solchen Fällen wird der Freiwilligkeitsvorbehalt als leere Floskel taxiert und mündet im Ergebnis in einer Vertragsänderung, dass die Gratifikation Lohn darstellt.
Ferner mutiert ein Bonus zu Lohn, wenn die sogenannte Akzessorietät zwischen Lohn und Bonus nicht mehr gegeben ist. Je gewichtiger der Bonus im Verhältnis zum Lohn ist, umso wichtiger wird dieser für den Mitarbeitenden. Der Bonus ist dann nicht mehr eine «Dankesprämie», sondern er ist Bestandteil dessen, was der Mitarbeitende für die Bestreitung seines Lebensunterhaltes bedarf.
Je nach Höhe des Fixlohnes liegt der prozentuale Anteil des Bonus tiefer. Beispielsweise bei sogenannten niedrigen Löhnen (pro 2020 bis 80 000 CHF) wird ein Bonus, der rund 20 Prozent des Fixlohnes beträgt, tendenziell bereits zum geschuldeten Lohn.
Bei mittleren bis hohen Löhnen sollte von einer Gesamtvergütung stets mehr als 50 Prozent als geschuldeter Lohn und jedenfalls weniger als die Hälfte als freiwillige Gratifikation ausgestaltet werden. Diese sogenannte Akzessorietät verliert aber ihre Bedeutung bei sehr hohen Löhnen (pro 2020 bei rund 380 000 CHF). Über diesem Schwellenwert fehlt ein Sozialschutz, da die Finanzen die Grundbedürfnisse bei weitem abdecken, und ein Bonus kann nicht mehr zum Lohn mutieren.
Fazit
Eine neben dem Fixlohn bestehende Entschädigung kann durchaus Sinn machen und ist heute weit verbreitet. Eine Beurteilung, ob es sich um einen freiwilligen oder einen geschuldeten arbeitsrechtlichen Anspruch handelt, ist sinnvoll und angezeigt.