Beamtenrecht aktuell: OVG Niedersachsen zur disziplinarrechtlichen Ahndung verfassungsfeindlicher Inhalte Disziplinarverfahren wegen rassistischer WhatsApp-Nachrichten
OVG Niedersachsen: Verfassungswidriges Verhalten im Chat – Wann droht Beamten die Entfernung aus dem Dienst?
Das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen hat mit Urteil vom 24. April 2025 ein aufsehenerregendes disziplinarrechtliches Verfahren entschieden: Ein Polizeibeamter hatte in privaten WhatsApp-Chats wiederholt rassistische, rechtsextreme und menschenverachtende Inhalte verbreitet. Obwohl der Dienstherr dessen Entfernung aus dem Beamtenverhältnis verlangte, entschied das Gericht "nur" auf Zurückstufung – ein bemerkenswerter Balanceakt zwischen Disziplinierung und Verhältnismäßigkeit.
Der Sachverhalt – Was war passiert?
Ein Kriminalhauptkommissar hatte zwischen 2015 und 2019 über WhatsApp insgesamt 34 Dateien mit rassistischen, fremdenfeindlichen oder den Nationalsozialismus verharmlosenden Inhalten an Kollegen und Dritte versendet. Viele davon enthielten diskriminierende Bildmontagen, z. B. mit Schwarzen Menschen in abwertender Darstellung oder nationalsozialistische Anspielungen.
Besonders kritisch: Einige Inhalte wurden an Kolleginnen und Kollegen sowie in Gruppenchats versendet. Der Dienstherr sah darin einen schweren Verstoß gegen die beamtenrechtliche Verfassungstreuepflicht (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) und beantragte die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.
Die rechtliche Bewertung des OVG
1. Verletzung der Verfassungstreuepflicht
Das OVG stellte klar: Das Versenden solcher Inhalte verletzt in objektiver Hinsicht die Pflicht zum Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung – selbst wenn der Beamte keine "verfassungsfeindliche Gesinnung" im Inneren hegt. Entscheidend sei, dass der äußere Eindruck einer fehlenden Loyalität gegenüber der Verfassung genügt.
2. Kein Nachweis innerer Gesinnung – aber dennoch Pflichtverstoß
Anders als die Vorinstanz sah das OVG keinen Anlass, das Vorliegen einer expliziten verfassungsfeindlichen Einstellung zwingend vorauszusetzen. Auch das "Setzen eines bösen Scheins" reiche zur Pflichtverletzung aus – etwa durch das kommentarlos verbreitete Verwenden diskriminierender Begriffe oder NS-verharmlosender Inhalte.
3. Keine Entfernung, aber deutliche Sanktion
Das Urteil zeigt: Wer glaubhaft Reue zeigt und keine verfassungsfeindliche Haltung erkennen lässt, kann mit einer weniger drastischen Maßnahme als der Entlassung rechnen.
Fazit
Das Urteil des OVG Niedersachsen betont die Bedeutung der Verfassungstreue im Beamtenverhältnis – auch im digitalen Zeitalter. Gleichzeitig wahrt es die Verhältnismäßigkeit, wenn eine innere Abkehr von der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden kann. Es ist ein klares Signal an Beamtinnen und Beamte: Die Grenzen zwischen Privatleben und Beamtenpflichten verschwimmen dort, wo menschenverachtende Inhalte verbreitet werden.
Handlungsbedarf für Beamte und Dienstherren
Beamte sollten sich der möglichen dienstrechtlichen Folgen ihres digitalen Verhaltens bewusst sein – auch in vermeintlich „privaten“ Kontexten.Dienstherren sind gut beraten, für Sensibilisierung und klare Kommunikationsregeln im Umgang mit digitalen Medien zu sorgen.
