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Insolvenzrecht Insolvenzpläne und informierte sowie aktive Gläubiger

Die Gläubiger sollen es sein, die in einer Gläubigerversammlung über einen von Insolvenzschuldnerseite vorgelegten Insolvenzplan abstimmen. Damit dieses Recht auch tatsächlich ausgeübt wird, bedarf es hierfür – wie in jeder demokratischen Ordnung – folgender Voraussetzungen: aktive und informierte Personen, die ihr Stimmrecht ausüben.

Die Realität sieht an dieser Stelle oft anders aus. Von ihrem Recht, sich zeitlich vor einer Gläubigerversammlung zu informieren und die eigenen Rechte aktiv wahrzunehmen, machen in Gläubigerversammlungen und damit auch in den Terminen zur Abstimmung über von Schuldnerseite vorgelegte Insolvenzplänen zumeist nur wenige Gläubiger Gebrauch.

Daher betrachten Sie diesen Text auch als eine Aufforderung an Sie, als informierter Gläubiger, Insolvenzpläne nicht nur hinzunehmen, sondern sie auf ihre Plausibilität zu überprüfen und gegebenenfalls mit der Insolvenzschuldnerseite hierzu in Verhandlungen zu treten.

Denn im ersten Schritt sind Insolvenzpläne nicht mehr als ein Angebot an die Gläubiger, für dessen Annahme es eine Mehrheit geben muss, d.h. eine mehrheitliche Zustimmung der Gläubiger.

I. Was möchte der Insolvenzschuldner mit einem den Gläubigern vorgelegten Insolvenzplan erreichen?

Das Ziel ist es, die mit dem Insolvenzplan bezweckte Sanierung des Unternehmens umzusetzen und hierfür die erforderliche Mehrheit im Abstimmungstermin zu erhalten. Die Voraussetzung hierfür ist nach der Insolvenzordnung (§ 244 InsO), dass in jeder Gruppe der Insolvenzgläubiger mit der sogenannten Kopf- und Summenmehrheit die Mehrheit der abstimmenden (und damit anwesenden) Gläubiger dem Plan zustimmt.

Zwei Aspekte im Hinblick auf die Gläubigerrechte sind diesbezüglich von Relevanz:

1. Keine Schlechterstellung der Gläubiger

Ein Gläubiger darf mit dem Plan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden, als er ohne Plan stünde. Wenn es diese Schlechterstellung gibt, kann der betreffende Gläubiger einen Antrag im Abstimmungstermin stellen, dass das Gericht die Bestätigung des Insolvenzplans versagt (§ 251 InsO).

2. Voraussetzungen für eine gruppenübergreifende Mehrheit

Werden die erforderlichen Mehrheiten aus § 244 InsO nicht erreicht, so gilt die Zustimmung einer Abstimmungsgruppe als erteilt, wenn

  • die Angehörigen dieser Gruppe durch den Insolvenzplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne einen Plan stünden;
  • die Angehörigen dieser Gruppe angemessen an dem wirtschaftlichen Wert beteiligt werden, der ihnen auf der Grundlage des Planes zufließen soll;
  • und die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Plan mit den erforderlichen Mehrheiten zugestimmt hat.

Die letztgenannte Voraussetzung der Mehrheit der Gruppen führt dazu, dass die Planverfasser im Zweifel eine ungerade Anzahl von Gruppen bilden. Und das Ziel der Gruppenbildung ist es dann wiederum, dass zumindest in der Mehrzahl der Gruppen die vorgenannte Kopf- und Summenmehrheit der Gläubiger zur Zustimmung zu erwarten ist.

Damit soll sodann erreicht werden, dass das Gericht den Plan bestätigt – obwohl nicht alle Gruppen in der notwendigen Mehrheit zugestimmt haben -, weil die vorgenannten Voraussetzungen (sogenanntes Obstruktionsverbot nach § 245 InsO) für eine gruppenübergreifende Mehrheit vorliegen.

II. Welche Voraussetzungen müssen für eine gruppenübergreifende Mehrheit zur Annahme eines Insolvenzplans vorliegen?

Für den einen Insolvenzplan vorlegenden Schuldner ist es daher von Bedeutung, dass nicht nur die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Plan zustimmen, sondern auch die beiden weiteren Voraussetzungen zugleich erfüllt sind (§ 245 InsO):

  • Die Angehörigen der betreffenden Gruppe, die nicht zugestimmt haben, dürfen durch den Insolvenzplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden
  • und die Angehörigen dieser Gruppe müssen angemessen am wirtschaftlichen Wert beteiligt werden, der im Zuge des Insolvenzplans Ihnen zufließen soll.

Von wesentlicher Relevanz ist also im Hinblick auf das sogenannte Ersetzen der Zustimmung der Gruppe(n) mit der fehlenden Mehrheit als auch den möglichen Widerspruch eines Gläubigers zum Insolvenzplan die Vergleichsrechnung: Der jeweilige Insolvenzgläubiger darf durch den Plan und damit dessen Umsetzung wirtschaftlich nicht schlechter gestellt werden, als er ohne den Insolvenzplan stehen würde.

1. Prüfen Sie die vorgelegte Vergleichsrechnung auf ihre Plausibilität

Soweit es die Bildung der Gruppen der Gläubiger betrifft, unterliegt diese der gerichtlichen Vorprüfung bei Einreichung des Insolvenzplans. An dieser Stelle gibt es also zumindest schon jemanden, der sich diese Thematik rechtskundig angesehen hat.

Ein weiterer wesentlicher Aspekt für die Gläubiger ist es, ob die im Insolvenzplan erfolgte Vergleichsrechnung plausibel ist, ob also von als zutreffend anzunehmenden Werten in dieser Berechnung ausgegangen werden kann.

An dieser Stelle sind die Zahlen und Berechnungen aus dem Insolvenzplan nicht nur hinzunehmen, sondern kritisch zu hinterfragen. Dies möchte ich Ihnen in Ihrer Gläubigereigenschaft an dieser Stelle empfehlen.

2. Werde ihre "Sonderrechte" in dem Insolvenzplan bei dieser Vergleichsrechnung berücksichtigt?

Die derzeitige wirtschaftliche Situation im Einzelhandel hat und wird zu Insolvenzplänen von Filialisten führen. Auf diesem Wege und damit durch einen Insolvenzplan kann deren Sanierung erfolgen, indem man sich auf Filialistenseite beispielsweise von nicht mehr rentablen Standorten und damit mit diesen Standorten verbundenen Mietverträgen und weiteren Dauerschuldverhältnissen trennen kann.

Die Vermieter können in dem Insolvenzverfahren ihr Vermieterpfandrecht als sogenanntes Absonderungsrecht geltend machen. Ist dieses Vermieterpfandrecht im Insolvenzplan berücksichtigt? Und wenn ja, auf der Grundlage welcher Wertansätze für die durch das Vermieterpfandrecht belasteten Gegenstände ist es in dem Insolvenzplan berücksichtigt? Dies ist beispielhaft auf Seiten derjenigen Gläubiger, die an Insolvenzschuldner vermieten, zu überprüfen.

Denn letztendlich ist diese Frage wiederum relevant für das Ergebnis der Vergleichsrechnung. Was würde ich als Vermieter ohne Insolvenzplan und damit im Falle der Durchsetzung meines Vermieterpfandrechtes erhalten? Wie wird das Vermieterpfandrecht im Zuge des Angebotes (und nichts Anderes ist der Insolvenzplan vor einer Annahme durch die Gläubiger) berücksichtigt? Wird das Vermieterpfandrecht im vorgelegten Insolvenzplan überhaupt erwähnt?

Wenn das Vermieterpfandrecht nicht Gegenstand der Regelungen im Insolvenzplan ist, so bleibt es davon ausgenommen und bestehen. Dann ist nach einer Annahme des Insolvenzplans durch die Gläubiger und einer darauffolgenden Bestätigung durch das Insolvenzgericht das Recht aus diesem bestehen bleibenden Vermieterpfandrecht durchzusetzen. Auch hierfür muss man als Gläubiger wiederum aktiv werden und sich an die Insolvenzschuldnerseite wenden.

Diese vorgenannte Schilderung von Vermieterpfandrecht und einer möglichen Einzelhändler/Filialisten Insolvenz erfolgt an dieser Stelle beispielhaft für mögliche sogenannte Absonderungsrechte von Gläubigern. Als weitere derartige Sonderrechte kommen das Sicherungseigentum, Ansprüche aus sicherungsabgetretenen Forderungen und das Pfandrecht im Allgemeinen in Betracht.

Sind diese Rechtspositionen von Ihnen als Gläubiger im Insolvenzplan berücksichtigt und wenn ja wie? Diese Frage müssen sie sich als Gläubiger bitte stellen.

3. Was erhält der Insolvenzschuldner oder die Anteilseigner bei Annahme des Insolvenzplans?

Auch diese Frage ist von Relevanz und sollte durch den aktiven, sich informierenden Gläubiger überprüft und thematisiert werden. Zu dieser Fragestellung gelangt man auf folgendem Wege:

Wie bereits erwähnt, müssen die Angehörigen einer nicht zustimmenden Gläubigergruppe angemessen am wirtschaftlichen Wert beteiligt werden, der auf der Grundlage des Planes der Gläubigerseite zufließen soll (§ 245 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Eine angemessene Beteiligung liegt unter anderem vor, wenn weder der Schuldner noch eine an ihm beteiligte Person einen durch Leistung in das Vermögen des Schuldners nicht vollständig ausgeglichenen wirtschaftlichen Wert erhält (§ 245 Abs. 2 Nr. 2 InsO). Oder andersherum formuliert: Der Schuldner und die Anteilseigner dürfen durch eine Leistung in das Vermögen des Schuldners keinen vollständigen Wertersatz erhalten.

Diese Frage des Wertersatzes zugunsten des Schuldners ist anhand der Bilanz zu beurteilen. Wenn sich in einer Handelsbilanz nach Plandurchführung allein aufgrund des Planes ein positiver Kapitalsaldo ergibt, besteht ein zugewandter Vermögenswert (Braun/Frank, § 245 InsO Rz. 13). Notwendig ist also eine bilanzielle Betrachtungsweise unter folgenden Aspekten für diese Thematik:

  • Durch den Erlass von Verbindlichkeiten und damit den Verzicht durch die Gläubiger kann dieser positive Kapitalsaldo entstehen.
  • Endet die plangemäße Sanierung mit einem Kapitalsaldo von null, liegt keine Zuwendung eines Vermögenswertes seitens der Gläubiger vor.
  • Ebenfalls ohne Bedeutung für die hier in Rede stehende Vorschrift ist ein positiver Saldo, der infolge einer Kapitalzufuhr von dritter Seite entsteht. Denn letztendlich müssen die Gläubiger hierzu beigetragen haben.

Damit ist folgende Frage für die Insolvenzgläubiger zur Beurteilung eines Ihnen zur Abstimmung vorgelegten Insolvenzplans und für gegebenenfalls zu führenden Verhandlungen mit der Insolvenzschuldnerseite von Relevanz: Wie hoch ist das Eigenkapital nach einer Planbestätigung?

Auch dieser Aspekt ist durch die Insolvenzgläubiger kritisch zu überprüfen und für Sie als Gläubiger hilfreich ist hierzu die Regelung in § 220 Abs. 2 InsO, wonach im darstellenden Teil des Insolvenzplans „alle Angaben zu den Grundlagen und den Auswirkungen des Planes enthalten sein müssen, die für die Entscheidung der Beteiligten über die Zustimmung zum Plan und für dessen gerichtliche Bestätigung erheblich sind.“

Es gilt demzufolge als Gläubiger den Insolvenzplan einzusehen und zu überprüfen, inwieweit es darin zu der vorgenannten Thematik Ausführungen gibt. Soweit dies nicht der Fall ist, ist dies zu monieren und nachzufordern. Soweit diese Angaben im darstellenden Plan enthalten sind, so ist zu überprüfen, ob die Voraussetzung für eine angemessene Beteiligung der Gläubigergruppe vorliegt.

Mit diesen Ausführungen möchte ich Sie ermuntern, die Post, die Sie von einem Insolvenzverwalter und/oder von einem Insolvenzgericht erhalten, nicht nur anzunehmen und abzulegen, sondern sich aus den Ihnen als Gläubiger zustehenden Informationen zu informieren und Ihre Gläubigerstellung aktiv auszuüben. Denn dies ist Ihr Recht und Ihre daraus resultierende Möglichkeit der Einflussnahme und Verhandlung, die die Insolvenzordnung für Sie als Gläubiger vorsieht.

Beitrag veröffentlicht am
9. April 2021

Carsten Lange
DH&K Rechtsanwälte
Rechtsanwalt, Insolvenzverwalter, Mediator (DAA), Wirtschaftsmediator, Bankkaufmann

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