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Compliance Aktueller EU-Richtlinienentwurf verschärft die Sorgfaltspflichten in der Lieferkette

Erst letztes Jahr ist das lang und heftig diskutierte Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz vom deutschen Gesetzgeber beschlossen worden. Das Lieferkettengesetz sieht für Unternehmen ein Maßnahmenpaket mit unterschiedlichen Sorgfaltspflichten vor, um weltweiten, entlang der Lieferkette begangenen Menschenrechtsverletzungen entgegen zu treten. In die Pflicht genommen werden ab dem 01.01.2023 in Deutschland ansässige Unternehmen sowie ausländische Unternehmen mit inländischen Zweigniederlassung mit mindestens 3.000 Beschäftigten; ab dem 01.01.2024 gilt das Gesetz bereits ab einer Beschäftigungsanzahl von 1.000 Mitarbeitern.

Das Gesetz befindet sich in seiner jetzigen Fassung aber wohl nur in einem Durchgangstadium. Denn am 23.02.2022 hat die EU-Kommission mit einiger Verspätung den gleichermaßen kontrovers diskutierten Vorschlag zu einem europäischen Rechtsrahmen vorgelegt.  Die geplante Richtlinie, veröffentlicht unter dem Titel  Directive on Corporate Sustainability Due Diligence , sprich Richtlinie für unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Nachhaltigkeit, sieht gegenüber dem deutschen Gesetz an vielen Stellen Verschärfungen vor.

Wie auch im deutschen Lieferkettengesetz bestehen nach dem Richtlinienvorschlag die wesentlichen Sorgfaltspflichten des Unternehmens in Folgendem:

  • Erstellung eines Risikomanagements, einschließlich einer Risikoanalyse
  • Einführung von Präventions- und Abhilfemaßnahmen
  • Errichtung eines Beschwerdeverfahrens
  • Dokumentations- und Berichtspflichten

Erweiterung um umweltbezogene Sorgfaltspflichten

Ein wesentlicher Unterschied zum deutschen Gesetz besteht darin, dass der Entwurf neben den menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten auch die Einhaltung von umweltbezogenen Sorgfaltspflichten zur Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens ausdrücklich vorsieht und regelt. Damit werden die unternehmerischen Sorgfaltspflichten um ein weiteres umfangreiches Themenfeld erweitert. Der Entwurf flankiert damit die Maßnahmen des bereits vorgelegten Richtlinienentwurfs zur Nachhaltigkeitsberichtserstattung (CSRD –  Corporate Sustainability Reporting Directive  vom 21.04.2021)

Auch Unternehmen ab 250 Mitarbeiter betroffen

Auch der Anwendungsbereich des Gesetzes wird durch eine Herabsetzung der Beschäftigungsschwellen deutlich ausgeweitet werden. Nach dem Entwurf werden auch Unternehmen ab 500 Mitarbeiter mit einem Jahresumsatz von 150 Mio. Euro und sogar Unternehmen ab 250 Mitarbeitern mit einem Jahresumsatz von 40 Mio. Euro, soweit diese 50 % ihres Umsatzes in einer sogenannten Risikobranche erwirtschaften, erfasst. Dazu gehören z.B. die Textilbranche, die Landwirtschaft, Lebensmittelindustrie und der Abbau von Bodenschätzen.

Auch Unternehmen außerhalb der europäischen Union sollen dem Gesetz unterstehen, wenn diese auf EU-Gebiet einen bestimmten Jahresumsatz erzielen.

Ausdehnung der Lieferkette auf Kunden

Die Pflichten gelten nach dem Entwurf zunächst für die eigene Tätigkeit sowie die der Tochtergesellschaften. Umfasst werden sollen nach dem Willen des EU-Gesetzgebers aber auch Geschäftspartner aus der gesamten Wertschöpfungskette des Unternehmens, soweit mit diesen eine etablierte Geschäftsbeziehung geführt wird. Hierzu sollen alle direkten oder indirekten Geschäftsbeziehungen zählen, die nach Intensität und Dauer einen nicht zu vernachlässigenden oder untergeordneten Teil der Wertschöpfungskette darstellen. Damit beziehen sich die Sorgfaltspflichten sowohl auf Lieferanten als sog. vorgelagerte Teilnehmer („upstream“), als auch auf Kunden als sog. nachgelagerte Teilnehmer („downstream“) der Wertschöpfungskette. Dies stellt gegenüber dem deutschen Lieferkettengesetz, das sich im Wesentlichen auf die vorgelagerten Mitglieder der Kette, also die Lieferanten, bezieht, eine erhebliche Ausweitung dar.

Zivilrechtliche Haftung in der Lieferkette

Während das deutsche Lieferkettengesetz für die Frage einer zivilrechtlichen Haftung keine spezialgesetzliche Regelung vorsieht, ist nach dem Richtlinienvorschlag eine solche zivilrechtliche Haftung in der Liefer- bzw. Wertschöpfungskette ausdrücklich vorgesehen. Damit wäre künftig eine unmittelbare zivilrechtliche Inanspruchnahme von Unternehmen durch den Betroffenen, z.B. auf Zahlung von Schadenersatz wegen Verstoß gegen Menschenrechte oder Umweltvorschriften, möglich. Maßgeblich wäre insoweit das Recht des Staates, in dem der Schaden eingetreten ist. Für global agierende Unternehmen bedeutet dies, dass sie sich wohl in Zukunft verstärkt auch mit ausländischen Rechtsordnungen befassen müssen.

Womit müssen Unternehmen jetzt rechnen?

Abzuwarten bleibt zunächst, ob der Entwurf tatsächlich in dieser Form vom Europäischen Parlament und vom Europäischen Rat verabschiedet wird. Im Anschluss wird die Richtlinie von den Mitgliedsstaaten innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umzusetzen sein. In jedem Fall ist davon auszugehen, dass das deutsche Lieferkettengesetz dann nochmals erhebliche Nachbesserungen erfahren wird.

Der Entwurf zielt darauf ab, Unternehmen beim Schutz von Menschenrechten und Umwelt verstärkt in die Verantwortung zu nehmen, nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund des Pariser Klimaschutzabkommens und der dort aufgestellten Ziele. Er stellt Unternehmen dabei vor große Herausforderungen und Unsicherheiten, denn viele Aspekte sind unklar. Bereits die Frage, wer überhaupt zur Wertschöpfungskette gehört, wird nicht ohne Weiteres zu beantworten sein. Wie weit gehen die Nachforschungspflichten der Unternehmen zur Prävention, Feststellung oder Beseitigung von Verstößen? Wer trägt die Beweislast? Insbesondere bei ausländischen Betriebsstätten oder Geschäftspartner in Drittländern werden Unternehmen hier vor praktischen Schwierigkeiten stehen. Fragen werden wohl zum Teil nur vor Ort bzw. durch Hinzuziehung von Dritten, wie z.B. Mitarbeiter von Botschaften oder ausländischen Beratern, geklärt werden können. 

Angesichts der Komplexität der Thematik sowie der zu erwartenden hohen Bußgelder ist betroffenen Unternehmen zu raten, sich eher gestern als heute mit dem Thema zu befassen.

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