Anlagerisiko zu niedrig eingestuft: Besteht ein Anspruch auf Schadensersatz?
Offene Immobilienfonds gelten bei vielen Anlegern als solide und vergleichsweise sichere Anlageform. Umso größer ist das Vertrauen in die Angaben, die Fondsgesellschaften in ihren Basisinformationsblättern machen. Gerade die dort ausgewiesene Risikoklasse spielt für Verbraucher eine entscheidende Rolle: Sie vermittelt in komprimierter Form, wie hoch die Gefahr von Verlusten eingeschätzt wird. Doch was passiert, wenn diese Einstufung zu niedrig ausfällt? Mit dieser Frage befasste sich das Landgericht Nürnberg-Fürth in einem aktuellen Verfahren – und stellte klar, dass eine unzutreffende Risikobewertung nicht nur wettbewerbswidrig ist, sondern auch Schadenersatzansprüche von Anlegern begründen kann.
Sachverhalt
Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hat gegen die Fondsgesellschaft ZBI Fondsmanagement, Teil der Kapitalverwaltungsgesellschaft „Union Investment“, erfolgreich geklagt. Streitpunkt war die Risikoeinstufung des offenen Immobilienfonds UniImmo Wohnen ZBI.
Im Basisinformationsblatt wurde das Anlagerisiko zunächst mit „niedrig“ angegeben. Diese Einstufung erweckt den Eindruck einer sicheren Geldanlage. Nachdem „Union Investment“ im Jahr 2024 den Anteilspreis des Fonds um 17 Prozent herabgesetzt hatte, änderte die Fondsgesellschaft die Risikoeinstufung auf „mittelniedrig“ (Risikoklasse 2 bzw. 3). Nach Ansicht der Verbraucherschützer – und nun auch des Landgerichts Nürnberg-Fürth – entsprach diese Einstufung nicht den gesetzlichen Vorgaben.
Rechtliche Bewertung durch das Gericht
Das Gericht stellte klar: Der Risikoindikator müsse Anlegern klar und transparent verdeutlichen, mit welcher Wahrscheinlichkeit und in welchem Umfang Verluste eintreten können. Die gesetzliche Skala reicht von 1 (sehr niedriges Risiko) bis 7 (höchstes Risiko). Für Fonds, deren Anteilspreise nicht mindestens monatlich, sondern lediglich quartalsweise bewertet werden, ist eine Einstufung in Risikoklasse 6 vorgeschrieben.
Damit war die Einstufung der Fondsgesellschaft deutlich zu niedrig. Das Landgericht untersagte daher die weitere Werbung mit der bisherigen Risikobewertung (Urteil vom 21.02.2025 – 4 HK O 5879/24).
Bedeutung für Verbraucher
Die Entscheidung verdeutlicht, dass Kleinanleger in besonderem Maße auf die Angaben im Basisinformationsblatt angewiesen sind. Die Risikoklasse ist für sie oft das zentrale Entscheidungskriterium. Wird diese zu niedrig angegeben, liegt eine Irreführung über wesentliche Produkteigenschaften vor. Dies ist nicht nur wettbewerbswidrig, sondern kann – abhängig von Anlegerprofil und Beratungssituation – auch Schadenersatzansprüche auslösen.
Praxishinweis
Finanzdienstleister sind gut beraten, die gesetzlichen Vorgaben zur Risikoindikator-Einstufung streng einzuhalten. Eine fehlerhafte Risikoklassifizierung kann nicht nur zu aufsichtsrechtlichen Sanktionen und wettbewerbsrechtlichen Klagen führen, sondern auch zur Haftung gegenüber geschädigten Anlegern.
Quelle: Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 21.02.2025 – 4 HK O 5879/24