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Insolvenzrecht Ausscheiden als Geschäftsführer einer GmbH anstelle notwendigen Insolvenzantrages ist keine Alternative

Die Firma ist zahlungsunfähig und/oder überschuldet. Damit müsste der Geschäftsführer zum jetzigen Zeitpunkt einen Insolvenzantrag stellen. Trotz dieser wirtschaftlich negativen Situation gibt es einen Nachfolger für die Geschäftsführung. Und da liegt dann die Überlegung nahe: Anstelle des Insolvenzantrages könnte man als bisheriger Geschäftsführer auch ausscheiden und alles Weitere dann dem Nachfolger überlassen – und damit selbst den notwendigen Insolvenzantrag nicht stellen.

Dieses o. ä. muss sich der Geschäftsführer von mehreren Vertriebsgesellschaften gedacht haben, die der BGH in seinem Urteil als „P Gruppe“ benannt hat. Diese Firmengruppe warb unter Anlegern um Investitionen für Container, die an Leasinggesellschaften und Reedereien vermietet wurden. Dieses Unternehmenskonstrukt endete wirtschaftlich im Schneeballsystem und im Zuge dessen in der Insolvenz.

Ein Anleger nahm den Geschäftsführer auf Schadensersatz wegen Insolvenzverschleppung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a InsO in Anspruch. Dabei gab es eine Besonderheit: Dieser Anleger hatte einen seiner Anlageverträge erst nach der Abberufung des Beklagten zum Geschäftsführer abgeschlossen.

Haftet ein früherer Geschäftsführer aus Insolvenzverschleppung auch für Schäden von sogenannten Neugläubigern, die erst nach seinem Ausscheiden mit der GmbH einen Vertrag abgeschlossen haben?

Diese Haftungsvoraussetzung klingt sperrig, ist aber einfach erfüllt. Denn hierzu führt der BGH in seinem Urteil aus: Es müsse eine wertende Betrachtung erfolgen, ob das vom ausgeschiedenen Geschäftsführer geschaffene Risiko schon gänzlich abgeklungen sei. Das sei wiederum der Fall, wenn die Gesellschaft sich nach der Antragspflichtverletzung des ausgeschiedenen Geschäftsführers zunächst wieder nachhaltig erholt und dann später wieder insolvenzreif werde.

Andersherum formuliert ist dieses geschaffene Risiko nicht abgeklungen, wenn die Insolvenzreife der Gesellschaft weiterbestanden hat.

In der Situation der Insolvenzreife der GmbH keinen Insolvenzantrag zu stellen und anstelle dessen aus der Geschäftsführung auszuscheiden, eröffnet damit einen nicht mehr zu beeinflussende Haftungsgefahr. Neugläubiger, die bei Fortbestehen der Insolvenz nach dem Ausscheiden des Geschäftsführers mit der weiterhin geschäftlich aktiven Gesellschaft Verträge abschließen, können den ihnen dadurch entstandenen Schaden von dem bereits ausgeschiedenen Geschäftsführer ersetzt verlangen.

Dabei ist dem früheren Geschäftsführer die Entlastung, ein anderer (Anm. der zeitlich nachfolgende Geschäftsführer) habe die Gefahrenlage pflichtwidrig nicht beseitigt, nicht möglich.

Hinzu kommt: durch eine Beendigung der Geschäftsführerfunktion bei bestehender Insolvenzreife der GmbH werden die bereits in der Vergangenheit begangenen Antragspflichtverletzungen nicht rückwirkend beseitigt. Die Verantwortung des Geschäftsführers für daraus resultierende Verschleppungsschäden bleibt bestehen.

Bei Insolvenzreife der GmbH als Geschäftsführer auszuscheiden, ohne zuvor einen Insolvenzantrag gestellt zu haben, hilft damit weder für die Vergangenheit noch für die Zukunft, um die Haftung zu reduzieren.

Es verbleibt die Empfehlung, die in der Praxis sicherlich nicht immer einfach zu erfüllen ist: einen Insolvenzantrag rechtzeitig zu stellen, um sich einer derartigen Haftung gegenüber Neugläubigern, aber auch der Gesellschaft selbst und damit dem Insolvenzverwalter nicht auszusetzen.

Beitrag veröffentlicht am
14. August 2024

Carsten Lange
dh&k Rechtsanwälte Steuerberater
Rechtsanwalt, Insolvenzverwalter, Mediator (DAA), Wirtschaftsmediator, Bankkaufmann

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