Insolvenzrecht Erst wägen, dann wagen!
In den ersten Monaten des Jahres 2021 gab es viele positive Reaktionen auf die Möglichkeiten des neuen Sanierungsverfahrens, des sogenannten ‚WHOA‘ (auf Niederländisch: Wet homologatie onderhands akkoord; Gesetz Genehmigung privater Vergleich) und die Gerichte haben die ersten Urteile erlassen. Das Urteil des Landgerichts (rechtbank) Den Haag vom 2. März 2021 zeigt, dass ein anzubietender Vergleich eine gute Vorbereitung und viel Sorgfalt erfordert. Und zwar zurecht, weil durch das Homologieren (Genehmigen) eines Vergleichs die Rechte des Gläubigers beschränkt werden.
Aus dem Urteil des Landgerichts Den Haag ergeben sich zwei Punkte:
i. Bereitstellung von Informationen
Das niederländische Faillissementswet (vgl. Insolvenzordnung) enthält Regelungen für einen anzubietenden Vergleich nach dem WHOA. So enthält unter anderem Artikel 375 Faillissementswet eine Auflistung der Informationen, die ein Vergleich umfassen muss. Diese Informationen dienen den Gesellschaftern und Gläubigern, damit diese in die Lage versetzt werden, auf Grundlage der richtigen Informationen eine Entscheidung zu fällen. In dem vorliegenden Urteil wurden den Gläubigern zwecks Untermauerung des Vergleichs Informationen erteilt, auf Grundlage derer die Gläubiger einen Beschluss gefasst haben. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass diese Informationen falsch und unvollständig waren, wodurch die Gläubiger nach Ansicht des Gerichts nicht ausreichend in die Lage versetzt worden waren, eine gute Entscheidung zu fällen. Nachdem die Frist für eine Abstimmung über den Vergleich verstrichen war, schienen einige Forderungen nicht richtig und ein Pfandgläubiger in dem Vergleich nicht genannt worden zu sein. Dadurch zweifelte das Gericht an, ob das Ergebnis der Abstimmung über den Vergleich dasselbe gewesen wäre, wenn die richtigen Informationen bekanntgegeben worden wären, wodurch das Gericht der Ansicht war, dass ein Ablehnungsgrund vorliegt. Der angebotene Vergleich wurde also nicht genehmigt.
Demnach ist es also wichtig, dass den Gläubigern und Gesellschaftern von Anfang an richtige und vollständige Informationen erteilt werden, damit sie eine wohlüberlegte Entscheidung fällen können.
ii. Überlebensfähigkeit des Unternehmens
Einer der Vergleiche, der nach dem WHOA angeboten werden kann, ist ein Umstrukturierungsvergleich. Dieser Vergleich beinhaltet kurz gesagt, dass nach Genehmigung des Vergleichs ein existenzfähiges Unternehmen bleibt, das seine geschäftlichen Aktivitäten fortführen kann. Bei einem Einzelunternehmen, wie es in dem Urteil des Landgerichts Den Haag Gegenstand war, wird von einem existenzfähigen Unternehmen gesprochen, wenn der Unternehmer aus dem positiven Ergebnis des Unternehmens seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Falls sich aus dem angebotenen Vergleich zweifelsfrei ergibt, dass das Unternehmen nicht existenzfähig ist, stellt dies für das Gericht einen Grund dar, den Antrag auf Genehmigung des Vergleichs abzuweisen. Das geschah auch in dem vorliegenden Urteil, weil sich aus einem Gutachten, das den Gläubigern nicht vorgelegt worden war, ergab, dass ein Sachverständiger bereits attestiert hatte, dass das Unternehmen nicht existenzfähig war, beziehungsweise der Unternehmer aus dem Unternehmensergebnis seinen Lebensunterhalt nicht würde bestreiten können.
In dem Urteil wurde nebenbei noch angesprochen, dass die Buchhaltung des Antragstellers nicht in Ordnung war. Unserer Meinung nach ist das eine Bedingung für einen anzubietenden Vergleich, weil sonst die Wahrscheinlichkeit sehr groß ist, dass Gläubigern und Gesellschaftern falsche und unvollständige Informationen erteilt werden, die einer korrekten Beschlussfassung im Wege stehen und damit zu einem Ablehnungsgrund für den Vergleich führen können.
Dieses Urteil zeigt, dass ein anzubietender Vergleich nach dem WHOA, neben der zu beachtenden (juristischen) Sorgfalt und einer ausführlichen Vorbereitung, eine gute Zusammenarbeit zwischen Juristen und Finanzlern mit ausreichenden Kenntnissen vom Insolvenzrecht und von Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten verlangt. Wichtig ist, dass derjenige, der einen Vergleich anbieten möchte, über die richtigen finanziellen und rechtlichen Informationen verfügt, die Positionen der Gläubiger und etwaigen Gesellschafter im Blick hat und ihm eine Prognose vorliegt, aus der die Existenzfähigkeit des Unternehmens nach Genehmigung des Vergleichs hervorgeht.
Den Gläubigern einfach ein Angebot zu unterbreiten, ist zum Scheitern verurteilt.