Bauvertragsrecht Österreich Preissteigerungen am Bau aufgrund von Fällen höherer Gewalt (Österreich)
Kurz nach der Covid-19-Pandemie waren wir mit der Ukraine-Krise und damit in einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum mit zwei veritablen Krisen konfrontiert. Insbesondere die Baubranche war betroffen und litt an massiven Preissteigerungen. Der gegenständliche Beitrag zeigt die aktuelle Meinungslage zur rechtlichen Behandlung solcher Preissteigerungen auf. Als Ausgangssituation soll ein Bauwerkvertrag unter Anwendung der ÖNORM B2110 dienen.
Vertragliche Vereinbarung
Unstrittig ist, dass es sich sowohl bei der Covid19-Pandemie als auch bei der Ukraine-Krise um Fälle höherer Gewalt handelt, die unvorhersehbar waren und vom Auftragnehmer nicht einkalkuliert werden konnten. Kommt es aufgrund solcher Fälle höherer Gewalt zu Preissteigerungen, ist vorab der dem Auftragsverhältnis zugrunde liegende Vertrag zu prüfen. Dabei ist vorrangig darauf zu achten, ob Festpreise oder veränderliche Preise vereinbart wurden. Im Falle der Vereinbarung veränderlicher Preise hat man ohnehin festgelegt, dass Preissteigerungen auch Auswirkungen auf die vereinbarten Preise haben. Bei Festpreisvereinbarungen gilt das freilich nicht. Hier ist eine weitergehende rechtliche Prüfung notwendig.
Auftragnehmerfreundliche Meinung
Die Wirtschaftskammer Steiermark holte zur Frage der Möglichkeit einer einseitigen Vertragsanpassung oder Vertragsauflösung eines Bauvertrages bei unvorhersehbaren nachträglichen Änderungen der Preise und/ oder der Verfügbarkeit von Baustoffen bei Univ.-Prof. Dr. Andreas Kletečka ein Rechtsgutachten ein. Demnach führt eine Fest- oder Fixpreiszusage für sich alleine noch nicht dazu, dass der Auftragnehmer auch Preissteigerungen zu tragen hätte, die Folge höherer Gewalt sind. Eine solche Vereinbarung wäre wegen der Überbindung eines unkalkulierbaren Risikos sittenwidrig. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn bereits bei Vertragsabschluss erkennbar gewesen wäre, dass die Preise exorbitanten Schwankungen unterliegen würden. Im Rahmen der Anwendbarkeit der ÖNORM B2110 wird das Risiko der höheren Gewalt gemäß Punkt 7.2 der Sphäre des Auftraggebers zugewiesen. Der Auftragnehmer könne demnach darauf zurückführende Mehrkosten für Baustoffe und Materialien im Rahmen einer Vertragsanpassung nach Punkt 7.4 der ÖNORM B2110 einseitig beanspruchen.
Auftraggeberfreundliche Meinung
Bis dato noch vereinzelte gegenteilige Meinungen in der Literatur kommen zum Ergebnis, dass das Risiko bloßer Preissteigerungen der Sphärenzuordnung im Sinne des Werkvertrages nach dem ABGB, aber auch der Sphärenzuordnung nach dem Verständnis der ÖNORM B2110 entzogen ist, weil derartige Ereignisse stets das wirtschaftliche Risiko des Auftragnehmers darstellen oder in dessen Sphäre fallen würden. Zudem geht diese Meinung davon aus, dass die Regelung in Punkt 7.4 der ÖNORM B2110, mit welcher Mehrkostenforderungen geltend gemacht werden können, erkennbar auf Störungen der Leistungserbringung, die eine Leistungsabweichung zur Folge haben, abstellen. Bloße Preissteigerungen stellen nach der Definition in der ÖNORM B2110 aber keine Leistungsabweichung dar. Mit einer Festpreisvereinbarung wollten die Vertragsparteien nach dieser Meinung bewusst nachträgliche Änderungen der Preise für die zur Herstellung des Werks erforderlichen Mittel ausschließen. Dabei stützt sich die Meinung auch auf eine ältere Entscheidung des OGH, wonach im Falle einer Festpreisvereinbarung im Allgemeinen nicht von einer bloßen Berechnungsvereinfachung, sondern von einer bewussten Risikoaufteilung auszugehen ist ( OGH 13.11.1986, 6 Ob 662/86 ; www.ris.bka.gv.at/jus ).
Rücktrittsrecht
Nach beiden Meinungen steht dem Auftragnehmer in Folge einer Uner schwinglichkeit der Leistung ein be sonderes Rücktrittsrecht zu. Dafür ist ein grobes Missverhältnis von Auf wand und Wert der Gegenleistung notwendig. Eine Weiterführung des Auftrages müsste also für den Auf tragnehmer unvernünftig und wirt schaftlich sinnlos sein. Für die Be urteilung ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Demnach ist eine beson ders gravierende Divergenz zwischen den Kosten der Leistungserbringung einerseits und den aus dem Auftrag erwirtschafteten Erlösen andererseits notwendig, sodass eine Weiterfüh rung des Auftrags nicht nur für den konkreten Auftragnehmer, sondern ganz allgemein für Unternehmen in der Größenordnung und in vergleich barer wirtschaftlicher Lage unver nünftig oder sinnlos wäre.
Ausblick
In der aktuellen Lehre überwiegt ak tuell die auftragnehmerfreundlichere Ansicht. Höchstgerichtliche Entschei dungen gibt es aber freilich noch nicht. Es bleibt daher abzuwarten, wie die Gerichte in solchen Fällen entscheiden werden.