Stimmverbot in Gesellschafterversammlung
BGH stärkt die Grundsätze zum Stimmverbot in eigenen Angelegenheiten – auf die Erfolgsaussichten einer Rechtsverfolgung in Haftungssachen kommt es nicht an
Bei der Beschlussfassung über die Einleitung eines Rechtsstreits gegen eine Drittgesellschaft oder über die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Drittgesellschaft unterliegen diejenigen GmbH-Gesellschafter einem Stimmverbot, die zusammen alle Anteile an der Drittgesellschaft innehaben.
BGH, Urteil vom 08.08.2023 – II ZR 13/22 (LG Bamberg)
Sachverhalt: Gesellschafterbeschluss über die Rechtsverfolgung gegen andere Gesellschaft eines Gesellschaftergeschäftsführers
Zwei Gesellschafterinnen einer Mehrpersonen-GmbH 1 (Frau D. und Frau M.) waren die alleinigen Gesellschafterinnen einer weiteren GmbH 2. In beiden Gesellschaften war Frau D. Geschäftsführerin. Die GmbH 1 war darüber hinaus Komplementärin einer GmbH & Co. KG, an der neben den beiden besagten Gesellschafterinnen weitere Gesellschafter als Kommanditisten beteiligt waren. Ein Mitgesellschafter in der GmbH 1, Kläger in dem Rechtsstreit, war ebenso als Kommanditist beteiligt.
Die GmbH & Co. KG lizensierte als Markenrechtsinhaberin seit 1994 Nutzungsrechte an Teilen ihrer beim DPMA geschützten Marken an die GmbH 2. Die Geschäftsführerin, Frau D., ließ ab August 2017 beim DPMA verschiedene, aus Sicht des Klägers Konkurrenzmarken für die GmbH 2 eintragen.
In der Gesellschafterversammlung der GmbH 1 im Juli 2019 standen als Tagesordnungspunkte unter anderem zur Beschlussfassung:
- Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen die Geschäftsführerin Frau D. gem. § 46 Nr. 8 GmbHG wegen verbotswidriger Konkurrenztätigkeit mit der GmbH 2 sowie wegen Anmeldung der Konkurrenzmarken einschließlich deren wirtschaftlicher Nutzung durch die GmbH 2 einschließlich der Bestellung eines Prozessvertreters zur gerichtlichen Durchsetzung der Schadenersatzansprüche gem. § 46 Nr. 8 Alt. 2 GmbHG
- Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen die Gesellschafterin Frau M. wegen verbotswidriger Konkurrenztätigkeit
- Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen die GmbH 2
Der Versammlungsleiter stellte unter Zählung der Stimmen von Frau D. und Frau M. fest, dass die Beschlussfassung über die vorgenannten Tagesordnungspunkte abgelehnt worden sei. Der Kläger verfolgte in seiner Beschlussanfechtungsklage die Nichtigerklärung der ablehnenden Beschlüsse und begehrte die Feststellung, dass die abgelehnten Beschlüsse gefasst worden sind.
Entscheidungsgründe: Der Gesellschaftergeschäftsführer sowie die ebenfalls an der Drittgesellschaft beteiligte Gesellschafterin unterliegen einem Stimmverbot. Dabei kommt es nicht darauf an, welche Erfolgsaussichten die beabsichtigte Anspruchsverfolgung hat.
Während noch das Berufungsgericht von einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung unter Mitwirkung der Frau D. als Gesellschaftergeschäftsführerin und der Frau M. ausging stellte der Bundesgerichtshof (BGH) klar, dass niemand Richter in eigener Sache sein darf. Bei der Beschlussfassung über die Einleitung eines Rechtsstreits gegenüber einem Gesellschaftergeschäftsführer hat dieser nach § 47 Abs. 4 S. 2 Fall 2 GmbH-Gesetz kein Stimmrecht. Bei der Beschlussfassung über die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen unterfällt der Gesellschaftergeschäftsführer einem Stimmverbot. Dies gilt auch nach § 46 Nr. 8 Fall 2 GmbHG für den Beschluss über die Bestellung des Organs, das die Gesellschaft bei der Anspruchsverfolgung vertreten soll. Dies gilt ebenso, wenn ein GmbH-Gesellschafter Alleingesellschafter einer Drittgesellschaft oder mehrere GmbH-Gesellschafter zusammen alle Anteile an der Drittgesellschaft halten, da in diesem Fall die wirtschaftliche Verbindung so stark ist, dass man das persönliche Interesse der GmbH-Gesellschafter mit der Drittgesellschaft gleichsetzen kann.
Nach Auffassung des BGH kommt es noch nicht einmal darauf an, ob die beabsichtigte Anspruchsverfolgung Aussicht auf Erfolg hat. Es soll grundsätzlich ausreichen, dass der die Abstimmung beantragende Gesellschafter im Einzelnen umreißt, worin die Pflichtverletzung und der Tatbeitrag der einzelnen Mitgesellschafter bestehen. Irrelevant sind dann im Übrigen die Erfolgsaussichten in der Sache, da eine derartige Prüfung die Durchsetzung von Ersatzansprüchen unzumutbar erschwere, wenn schon im Anfechtungsprozess und mangels Rechtskrafterstreckung im nachfolgenden Haftungsprozess nochmals gerichtlich geklärt werden müsste, ob der Haftungsgrund besteht.
Die dennoch erfolgte Stimmabgabe der Frau D. und Frau M. waren deshalb nichtig und nicht mitzuzählen. Da die Stimmabgabe aufgrund der Mehrheitsverhältnisse auch mitursächlich für den ablehnenden Gesellschafterbeschluss war, war auch dieser nichtig.
Im Übrigen stellte der BGH klar, dass aufgrund der erhobenen Vorwürfe sowie die darauf aufbauende Verfolgung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft das Gesellschaftsinteresse berührt ist und nicht etwa eigennützige oder rechtsmissbräuchliche Zwecke der die Abstimmung betreibenden Gesellschafter. Nur wenn ein Gesellschafter ausschließlich eigennützige Zwecke verfolgt oder seine Mehrheitsmacht zur Schädigung von Mitgesellschaftern oder zur Erlangung ungerechtfertigter Sondervorteile einsetzt, kommt auf der Grundlage der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ein Stimmrechtsausschluss in Betracht.
Praxishinweis:
Der BGH schafft mit seiner Rechtsprechung Klarheit und Erleichterung in der Vorbereitung von Regressverfahren gegen Gesellschafter oder Geschäftsführer, da die Erfolgsaussichten des eigentlichen Haftungsprozesses keine Relevanz haben.
Das Haftungsregime der Geschäftsführer und Vorstände ist streng. Ihnen obliegt die Beweislast im Rechtsstreit darzulegen, dass sie sich pflichtgemäß verhalten haben (§ 43 Abs. 2 GmbHG i.V.m. § 93 Abs. 2 S. 2 AktG). Für etwaige klagewillige Mitgesellschafter reicht es bereits aus, wenn er im Einzelnen darstellen kann, worin die Pflichtverletzung und der jeweilige Tatbeitrag der betroffenen Organmitglieder bestehen. Dies geht zwar über eine einfache Behauptung hinaus, doch muss er scheinbar keine Aussagen dazu treffen, ob der Gesellschaft tatsächlich ein Schaden entstanden ist und ob die Sache selbst Aussicht auf Erfolg haben könnte. Für die klagewillige Partei wird es daher darauf ankommen anhand von Auskunftsansprüchen (§51a GmbHG; § 13 AktG) den Sachverhalt aufzubereiten. Die Rechtsprechung des BGH jedenfalls erleichtert den Gesellschaftern das Vorgehen gegen Organmitglieder oder Mitgesellschaftern. Den Geschäftsführern und Vorständen kann dabei aufgrund der Ihnen zukommenden Beweislast (§ 93 Abs. 2. S.2 AktG) nur weiterhin geraten werden, ausreichend Beweisvorsorge für ihre Entscheidungen und Handlungen im Kontext der Gesellschaft aufzubauen. Andernfalls hilft sonst ggfs. nur noch einen D&O-Versicherung.