Viele Kanzleien. Ein starkes Netzwerk.
Aktuelles
Neues aus Markt und Netzwerk
 

Boarding nicht abgeschlossen – Airline muss verspätete Passagiere mitnehmen

Immer wieder kommt es vor, dass Fluggäste das Gate knapp verpassen und die Fluggesellschaften sie nicht mehr an Bord lassen. Ob in solchen Fällen ein Anspruch auf Ausgleichszahlung besteht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Das Landgericht Frankfurt am Main hat dazu mit Urteil vom 5. Juni 2025 (Az. 2-24 S 93/24) eine klare Position bezogen und die Rechte von Reisenden gestärkt.

Sachverhalt

Eine fünfköpfige Reisegruppe hatte einen Flug von Frankfurt nach Doha gebucht. Der Abflug war für 17.35 Uhr vorgesehen, die Bordkarten nannten 17.15 Uhr als Gate-Schließzeit. Die Passagiere checkten rechtzeitig um 16.35 Uhr ein, trafen am Gate aber erst kurz nach 17.15 Uhr ein. Dort verweigerte ein Mitarbeiter den Einstieg, obwohl die Maschine noch am Flugsteig stand, die Türen offen waren und andere Reisende noch auf das Boarding warteten. Die Gruppe verlangte jeweils 600 Euro Ausgleichszahlung nach der EU-Fluggastrechteverordnung.

Entscheidung des Gerichts

Während das Amtsgericht die Klage abwies, gab das Landgericht Frankfurt der Berufung statt. Zwar dürften Airlines erwarten, dass Passagiere pünktlich zur auf dem Boarding-Pass angegebenen Zeit am Gate erscheinen. Doch wenn das Boarding tatsächlich noch nicht abgeschlossen sei, die Türen noch offenstünden und andere Fluggäste ebenfalls noch nicht eingestiegen seien, müsse die Airline verspätete Reisende mitnehmen. Ein organisatorischer Mehraufwand sei in solchen Situationen nicht ersichtlich, zumal die Startfreigabe ohnehin erst nach Schließen der Türen beantragt werde.

Bedeutung der Entscheidung

Das Urteil verdeutlicht, dass Fluggesellschaften sich nicht starr auf die Gate-Schließzeit berufen können, wenn der Abflug ohnehin noch nicht unmittelbar bevorsteht. Für Reisende bedeutet dies eine Stärkung ihrer Position, sofern sie nachweisen können, dass das Boarding noch im Gange war. Zugleich macht die Entscheidung deutlich, dass es stets auf die konkreten Umstände ankommt und kein Freibrief für verspätetes Erscheinen am Gate besteht.

Quelle: Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 05.06.2025 – 2-24 S 93/24

Alle Fachbeiträge zeigen

unterschrift-signatur-vertrag-notar
AGB, Verbraucherrecht, Vertragsrecht
22.12.2025

„Es gelten die online abrufbaren AGB“ unzureichend

BGH: Verweis auf im Internet abrufbare AGB in einem Vertragsangebot ist unklar und unwirksam

Beitrag lesen
M&A, Mergers & Acquisitions, Gesellschaftsrecht
22.12.2025

Einbeziehung der Weinstein-Garantie: Wie Unternehmen #MeToo-Risiken bei Fusionen und Übernahmen reduzieren können (NLD)

Bei der Gestaltung von Übernahmeverträgen ist es ratsam, auch an mögliche #MeToo-Risiken zu denken, die der Käufer eingeht, und diese durch eine sogenannte Weinstein-Klausel zu überwinden.

Beitrag lesen
Familienrecht
22.12.2025

Gemeinsames Sorgerecht trotz Auslandsaufenthalt – E-Mail reicht aus

Kann ein Elternteil sein Sorgerecht auch dann wirksam ausüben, wenn er im Ausland lebt und überwiegend per E-Mail erreichbar ist? Mit dieser praxisrelevanten Frage hatte sich das Oberlandesgericht Karlsruhe zu befassen. In seinem Beschluss vom 16. Oktober 2025 stellt das Gericht klar: Moderne Kommunikationsmittel können genügen, um die elterliche Sorge tatsächlich wahrzunehmen – ein Ruhen des Sorgerechts kommt nur bei echten, dauerhaften Ausübungshindernissen in Betracht

Beitrag lesen