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Tschechien und Deutschland: Neuigkeiten und Statistiken im deutschen und tschechischen Staatsbürgerschaftsrecht

Nimmt die Zahl der Anträge auf Pass eines EU-Staates zu? Ist es einfacher, einen tschechischen oder einen deutschen Pass zu beantragen? Nachfolgend finden Sie Nachrichten und Statistiken über Anträge auf Staatsbürgerschaft in der Tschechischen Republik und in Deutschland.

Die Attraktivität eines Passes eines EU-Mitgliedstaates ist ungebrochen, das zeigen insbesondere die neuen deutschen, aber auch die tschechischen Statistiken, letztere allerdings auf niedrigerem Niveau. In der Tschechischen Republik herrscht im Bereich des Gesetzes über die tschechische Staatsangehörigkeit (Gesetz Nr. 186/2013 Sb.) absoluter Stillstand, bis auf die in der Novelle zum Lex Ukrajina (Novelle Nr. 24/2025) enthaltenen §§ 7x und y, die die Einbürgerungen von Staatsbürgern der Russischen Föderation gestoppt haben (cf. den Artikel unter II.: „Link: Tschechisches Ausländer- und Staatsbürgerschaftsrecht“). In Deutschland kam es im Juni 2024 zu einer großen Liberalisierung: https://bnt.eu/de/anderungen-im-tschechischen-und-deutschen-staatsangehorigkeitsrecht-im-jahre-2024/. Bisher sind die Antragszahlen angestiegen.

I. Entwicklungen und Statistiken im deutschen Staatsangehörigkeitsrecht – Art. 116 Abs. 2 GG und § 15 StAG

1. Neue Statistiken im deutschen Staatsangehörigkeitsrecht – StAG

Die deutschen Statistiken zeigen einen enormen Anstieg von Anträgen für Antragsteller aus dem Ausland (die Antragsteller im Inland machten im letzten Jahr ca. 200000 Einbürgerungen aus; allerdings werden die Wiedergutmachungseinbürgerungen darin nicht ausgewiesen). Aufgrund mehrerer IFG-Anfragen an das BVA (Bundesverwaltungsamt in Köln) ergibt sich folgendes Bild:

Beim BVA sind im Bereich § 15 StAG seit September 2021 (bis Ende 2024) fast 35000 Anträge eingegangen, davon mehr als die Hälfte im Jahre 2024 (ca. 20000 Anträge). Davon waren bis Ende 2024 7813 Anträge entschieden, Ablehnungen gab es in nur 25 Fällen.

Die Antragszahlen für Anträge nach Art. 116 Abs. 2 GG (Wiedererteilung der deutschen Staatsangehörigkeit nach Verlust zwischen 1933 und 1945), § 5 StAG (Erklärungserwerb) und nach § 30 StAG (Feststellungsantrag) beliefen sich für das Jahr 2024 auf je ca. 13500 Anträge; dies bedeutet, dass das BVA im Jahre 2024 insgesamt ca. 60000 Anträge erhalten hat – eine ungeheure Anzahl, mit dem dieses Amt ziemlich ausgelastet sein dürfte. Anträge gemäß Art. 116 Abs. 2 GG gab es in den Vorjahren ca. 10000 jedes Jahr. Zu § 5 StAG wurden seit September 2021, als dieses Erklärungsrecht eingeführt worden war, bis Ende 2023 22227 Anträge insgesamt gestellt. Das BVA hat nach eigenen Angaben einige Maßnahmen ergriffen, um dieser hohen Zahl von Anträgen Herr zu werden. Leider gehört dazu bisher keine effektive Digitalisierung. Vor der Liberalisierung des StAG im Jahre 2021 waren nur maximal 5000 Anträge pro Jahr bei § 5 und § 15 StAG insgesamt erwartet worden, im letzten Jahre waren es fast 33000.

Die Ablehnungsquote des BVA in allen Verfahren ist relativ gering; nur beim Erklärungserwerb nach § 5 StAG gab es bis Ende 2024 fast 200 Ablehnungen (genau: 188; bei bisher geschätzt ca. 7500 entschiedenen Anträgen); vermutlich betreffen die Ablehnungen viele Erklärungen von unehelichen, von Mai 1949 bis Mitte 1993 geborener Kinder deutscher Väter (Mutter Ausländerin), denn bis Mitte 1993 ging die deutsche Staatsbürgerschaft auf die unehelichen Kinder nicht über. In diesen Fällen verlangt das BVA eine deutsche Vaterschaftserkennung, die aber oft nicht bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres erfolgt war (und danach nicht mehr erfolgen kann), da viele uneheliche Kinder im Ausland geboren wurden, dort lebten und die Legitimation oder Vaterschaftsanerkennung nach dem Recht ihres Wohnsitz- und Staatsbürgerschaftsstatuts (der Mutter) erfolgte, aber eben nicht nach deutschen Recht vor deutschen Behörden.

2. Präzedenzfall bei Adoptionsfällen (Morgenstern) – Art. 116 Abs. 2 GG / § 15 StAG

Ende letzten Jahres kam es in einem Fall einer Adoption vor 1977 zu einer prinzipiellen Entscheidung des Bundesministeriums des Inneren und für Heimat (BMI), das das BVA anwies, dem Antrag auf Einbürgerung nach Art. 116 Abs. 2 GG von Herrn Morgenstern, den der Verfasser dieses Artikels in dem Verfahren vertragt, zu entsprechen. Dieser war im Jahre 1967 in England von zwei Überlebenden des Holocausts, beide geboren in den zwanziger Jahreen, die im Jahre 1939 nach England als Kinder (sog. Kindertransporte) gekommen waren, adoptiert worden. Dabei war der Adoptivvater gebürtig aus Berlin, er war 1933 nach Wien emigriert und von dort – schon nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 – nach London geflüchtet; seine spätere Frau war im Jahre 1939 aus Essen nach London gekommen. Beide hatten nie die deutsche Staatsangehörigkeit nach Art. 116 Abs. 2 GG beantragt. Ende der 50er Jahre hatten sie geheiratet, 1967 den Antragsteller adoptiert. Ihr Sohn hatte 2022 einen Antrag nach Art. 116 Abs. 2 GG gestellt, mit Verweis auf seine Adoptivmutter; bei dem Adoptivvater aus Wien war dessen Anspruch unklar, weil dieser vor 1938 Österreicher geworden war. Das BVA hatte argumentiert, es müsse den Antrag nach Art. 116 Abs. 2 GG ablehnen, weil die deutsche Staatsangehörigkeit bei Adoptionen erst ab dem Jahre 1977 übertragen würde, was im Prinzip richtig ist. Die Frage war aber, ob hier trotzdem eine Wiedereinbürgerung für einen Abkömmling eines Berechtigten nach Art. 116 Abs. 2 GG bejaht werden müsste oder ob wegen Art. 3 Abs. 1 GG iVm § 1754 Abs. 1 BGB (Wirkung der Adoption im deutschen Recht) dieser Fall mit einer leiblichen Geburt gleichbehandelt werden müsste. Alternativ hätte § 15 Satz 1 Nr. 4 StAG (ständiger Wohnsitz vor 1933 im Deutschen Reich und nachfolgende Flucht aus den in Art. 116 Abs. 2 GG genannten Gründen, z.B. rassische Verfolgung) herangezogen werden können, denn die Adoptivmutter wohnte bis 1939 in Essen und war bis November 1941 deutsche Staatsangehörige geblieben. Der Adoptivvater könnte auch wegen seines Aufenthalts in Berlin 1933 unter § 15 Satz 1 Nr. 4 StAG fallen.

Das BVA hat seine Entscheidung leider nicht begründet, die Anweisung des BMI enthält keine rechtlichen Ausführungen, und der Erlass ist noch nicht verabschiedet.

Dieser Fall könnte einige Auswirkungen für andere Adoptionskonstellationen vor dem Jahre 1977 unter Art. 116 Abs. 2 GG und § 15 Satz 1 StAG haben. Denn der Gesetzgeber wollte die Adoptionen vor dem Jahre 1977 mit in die Liberalisierung einbeziehen.

II. Stillstand in der Tschechischen Republik

1. Drucksache 585 weiterhin im Abgeordnetenhaus nicht auf der Tagesordnung

Leider steht der Gesetzesentwurf in der Drucksache 585, der hier (im Juni 2024: https://bnt.eu/legal-news/czechia-changes-to-czech-and-german-citizenship-law-in-2024/) ausführlich besprochen wurde – es geht um eine Liberalisierung des tschechischen Staatsbürgerschaftsgesetzes in §§ 31 und 33 zugunsten von Emigranten und deren Nachkommen – , bisher nicht auf der Tagesordnung in dem Unterhaus des Tschechischen Parlaments. Offenbar gibt es keine Pläne, diese Novelle bis Ende dieser Legislaturperiode im September 2025 auf die Tagesordnung zu setzen. Dies ist sehr enttäuschend bis bedauerlich, als die zugrundeliegenden Lücken im tschechischen Staatsbürgerschaftsgesetz seit 2015 bekannt sind, die Novelle lange vorbereitet wurde und einigen Fallgruppen tatsächlich helfen würde. Sehr stoßend ist, dass vielen internationalen Besuchern, z.B. den Vertretern von AJR (Association of Jewish Refugees), die Verabschiedung dieser Novelle mehrmals versprochen wurde, als diese Prag besuchten. Kaum waren die Besucher zurück in London, setzte wieder der übliche böhmische Schlendrian ein, und es passierte nichts. Einziges konkretes Ergebnis der letzten drei Jahre ist eine Benennung eines wüsten Platzes in Holešovice zu Ehren von Sir Nicolas Winton, noch dazu in der Nähe von einem falschen Bahnhof (Prag Bubeneč), von wo die Kindertransporte gar nie abgegangen waren.

2. Statistiken zum tschechischen Staatsbürgerschaftsgesetz Nr. 186/2013 Slg.

Eine Anfrage gemäß dem tschechischen Informationsfreiheitsgesetz (Gesetz Nr. 106/1999 Slg. ) ergab bei dem Standesamt (Matrika) für Prag 1, das für die meisten Auslandsanträge zuständig ist, dass in den letzten elf Jahren (1.1.2014 bis 31.12.2024) auf der Grundlage von § 32 – Feststellung der tschechischen Staatsangehörigkeit – 1904 Urkunden ausgestellt wurden, d.h. ca. 175 Urkunden pro Jahr.

Auf der Grundlage des § 31 (Wiedererteilung der tschechischen Staatsbürgerschaft) wurden im Jahre 2014 59 Urkunden ausgestellt, in den zehn Jahren danach (1.1.2015 bis 2024) 2652 Urkunden, d.h. ca. 265 Urkunden pro Jahr. Von der Sonderregelung in § 33 hatten im Jahre 2014 nur ca. 600 Personen profitiert, seitdem ist diese Frist abgelaufen, und Anträge können nicht mehr positiv beschieden werden. In den letzten elf Jahren, ab 1.1.2014 bis 31.12.2024, wurden 1650 Ablehnungen ausgesprochen, d.h. genau 150 pro Jahr; um diese Anzahl sind die Antragzahlen höher. Darunter sind viele Emigranten von jüdischen Tschechoslowaken, deren Geburt im Ausland in die Jahre 1949 bis 1969 fielen. Dem Verfasser sind ein halbes Dutzend Ablehnungen bekannt. Das Amt führt keine Statistiken über Widerspruchs- oder Gerichtsverfahren. Der Verfasser weiß von einem erfolgreichen Verfahren (Dr. Danby Bloch), das wurde aber in Aussig an der Elbe (Ústí nad Labem) geführt.

Insgesamt sind die Zahlen sehr moderat, es geht um ca. 300-400 Anträge pro Jahr insgesamt in der Tschechischen Republik. Bei einer Liberalisierung können die Zahlen steigen, aber es werden kaum mehr als 500 Anträge pro Jahr sein. Insofern sind die politischen Befürchtungen, es würde zu einer riesigen Anzahl von Auslandstschechen mit tschechischem Pass kommen, unbegründet. Und selbst wenn es so wäre – diese Personen hätten alle einen guten Grund, die tschechische Staatsangehörigkeit wieder zu beantragen.

3. §§ 7 x und y Lex Ukrajina (Gesetz Nr. 65/2022, Novelle 24/2025)

Zum Ausschluss der Anträge von Staatsbürgern der Russischen Föderation, unsystematischerweise im Lex Ukrajina geregelt (diese Personen haben mit dem Krieg gegen die Ukraine nichts zu tun, und ukrainische Staatsbürger sind es auch keine), siehe unter II. in diesem Artikel: „Link: Tschechisches Ausländer- und Staatsbürgerschaftsrecht“).

III. Fazit

Die Attraktivität der deutschen Staatsangehörigkeit ist ungebrochen, allein im Jahre 2024 erhielt das Bundesverwaltungsamt in Köln ca. 47000 Anträge zur Wiedergutmachung, und das von Antragstellern im Ausland. Die Wartezeiten sind erheblich, werden aber nicht ausgewiesen.

In Einzelfällen existieren noch Zweifelsfragen, u.a. bei Adoptionsfällen bis 1977 oder bei Erklärungen von nichtehelichen Kindern von deutschen Vätern, die nicht nach deutschem Recht legitimiert wurden, aber das sind eher Einzelprobleme. Im großen und ganzen gibt es nur noch wenige Ablehnungen.

Dagegen sind die Antragszahlen und Einbürgerungen in der Tschechischen Republik sehr gering, ca. 500 Einbürgerungen stehen ca. 150 Ablehnungen pro Jahr gegenüber. Eine Novelle des Gesetzes Nr. 186/2013 Slg. liegt seit Jahren im Parlament, eine zum Ausschluss von Staatsbürgern der Russischen Föderation ging schnell durchs Parlament, gut versteckt in der Novelle (Nr. 24/2025) zur Lex Ukrajina (Nr. 65/2022).

Beitrag veröffentlicht am
15. Mai 2025

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