Anlagevermittlerhaftung: Crowdfunding-Plattform haftet für unklare Risikoaufklärung bei Nachrangdarlehen
Crowdfunding hat sich als alternative Finanzierungsform für Immobilienprojekte etabliert. Für Anleger birgt diese Form der Schwarmfinanzierung jedoch erhebliche Risiken, die von den Plattformen klar kommuniziert werden müssen. Das Landgericht Ravensburg entschied nun, dass eine Internetplattform als Anlagevermittlerin haftet, wenn sie Anleger nicht unmissverständlich über die besonderen Risiken von Nachrangdarlehen informiert.
Sachverhalt
Ein Kleinanleger investierte insgesamt 14.500 Euro über eine Crowdfunding-Plattform in drei verschiedene Immobilienprojekte. Diese Plattform vermittelte Nachrangdarlehen an Bauträger, die damit ihre Projekte finanzierten. In den Vertragsunterlagen befanden sich Nachrangklauseln, nach denen der Anleger im Falle finanzieller Schwierigkeiten des Bauträgers erst nach allen anderen Gläubigern bedient würde und somit sein Kapital vollständig verlieren konnte.
Nachdem der Anleger seine gesamte Investition verlor, klagte er gegen die Plattform. Er machte geltend, nicht über die besonderen Risiken des Nachrangdarlehens aufgeklärt worden zu sein, insbesondere nicht darüber, dass ein Totalverlust bereits vor einer Insolvenz des Bauträgers eintreten könne. Zudem habe für eines der Projekte keine Baugenehmigung vorgelegen. Das Landgericht Ravensburg gab ihm Recht.
Allgemeine Voraussetzungen der Haftung des Anlagevermittlers
Die Haftung des Anlagevermittlers richtet sich nach den Grundsätzen der vertraglichen Aufklärungs- und Informationspflichten, insbesondere:
- §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB (Pflichtverletzung im Schuldverhältnis): Der Anlagevermittler schuldet dem Anleger richtige, vollständige und verständliche Informationen über alle Umstände, die für die Anlageentscheidung wesentlich sind, vor allem über Risiken.
- Nach der BGH-Rechtsprechung (st. Rspr.) muss die Aufklärung sich an einem durchschnittlich verständigen, wirtschaftlich unerfahrenen Anleger orientieren, wenn sich das Angebot an Kleinanleger richtet.
- Besondere Sorgfalt ist bei Nachrangdarlehen erforderlich, da diese Konstruktion für Laien kaum zu durchschauen ist und im Extremfall zu einem vollständigen Kapitalverlust führt.
Entscheidung
Das Landgericht Ravensburg (Urteil vom 07.02.2025 – 2 O 99/24) entschied: Die Plattform hafte als Anlagevermittlerin, da sie ihre Aufklärungspflichten verletzt habe. Die pauschale Aussage „Investitionen sind mit Risiken verbunden“ reiche nicht aus, um das spezifische Risiko eines Nachrangdarlehens verständlich darzustellen. Das besondere Risiko: Aufgrund der Nachrangklausel muss der Bauträger das Darlehen bereits dann nicht zurückzahlen, wenn die Rückzahlung zu seiner Insolvenz führen könnte – ein Totalverlust droht somit auch ohne Insolvenz. Zudem stelle das Verschweigen der fehlenden Baugenehmigung eine weitere Aufklärungspflichtverletzung dar. Eine Baugenehmigung ist für Anleger ein zentrales Kriterium zur Beurteilung des Projektrisikos.
Fazit
Die Entscheidung macht deutlich, dass Crowdfunding-Plattformen als Anlagevermittler zu einer klaren, vollständigen und verständlichen Risikoaufklärung verpflichtet sind. Pauschale Formulierungen reichen nicht aus. Anleger müssen vor Vertragsabschluss wissen, dass sie bei Nachrangdarlehen ihr gesamtes Kapital verlieren können, auch ohne Insolvenz des Bauträgers. Plattformbetreiber sollten ihre Informationspflichten ernst nehmen, um Haftungsrisiken nach §§ 280, 241 Abs. 2 BGB zu vermeiden.
Quelle: Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 07.02.2025 – 2 O 99/24
