Kontonummer in Anwaltspost manipuliert – Übermittlungsrisiko bei Geldschulden
Wird eine in einem Vergleich angegebene Kontoverbindung auf dem Postweg durch Dritte manipuliert und der geschuldete Betrag auf ein falsches Konto überwiesen, tritt keine Erfüllung ein. Das Risiko der fehlgeleiteten Überweisung trägt der Schuldner bis zur Gutschrift beim richtigen Empfänger.
Sachverhalt
Nach dem Tod ihres Vaters machte eine Tochter Pflichtteilsansprüche gegen ihre Brüder als testamentarische Erben geltend. Die Parteien einigten sich außergerichtlich auf einen Vergleich, wonach der Pflichtteilsberechtigten ein Betrag von 30.000 Euro zustand. Die Auszahlung sollte auf das Anderkonto ihrer Rechtsanwältin bei einer Kreissparkasse erfolgen.
Der Anwalt der Erben übersandte der Gegenseite einen Vergleichsentwurf mit korrekt angegebener IBAN. Die Anwältin der Pflichtteilsberechtigten unterzeichnete den Entwurf und sandte ihn per Post zurück. Auf dem Postweg wurde das Schriftstück von unbekannten Tätern abgefangen und die Kontonummer manipuliert.
Die Erben und ihr Anwalt unterzeichneten die verfälschte Fassung, ohne die Änderung zu bemerken, und überwiesen den Betrag auf das darin genannte Konto. Das Geld gelangte nicht zur Gläubigerin und war endgültig verloren.
Die Pflichtteilsberechtigte verlangte daraufhin erneut Zahlung. Die Erben beriefen sich darauf, ihre Verpflichtung durch die Überweisung erfüllt zu haben.
Entscheidung
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 08.10.2025 (IV ZR 161/24) entschieden, dass die Zahlungspflicht der Erben nicht erloschen ist. Die Überweisung auf das manipulierte Konto stelle keine Erfüllung im Sinne von § 362 BGB dar.
Der IV. Zivilsenat rechnete die Manipulation nicht der Gläubigerin zu. Nach dem gesetzlichen Leitbild des § 270 Abs. 1 BGB verbleibt das Risiko des Verlusts einer Überweisung bis zur ordnungsgemäßen Gutschrift beim Zahlungsempfänger grundsätzlich beim Schuldner. Eine abweichende Risikozuweisung nach § 270 Abs. 3 BGB in Verbindung mit § 242 BGB setzt voraus, dass der Gläubiger durch ein eigenes, ihm zurechenbares Verhalten die Gefahr der Fehlleitung begründet oder erhöht hat, etwa durch die Übermittlung unzutreffender Kontodaten oder das Unterlassen naheliegender Sicherungsmaßnahmen. An solchen Umständen fehlte es im Streitfall.
Weder die Pflichtteilsberechtigte noch ihre Anwältin hätten eine unzutreffende Kontoverbindung mitgeteilt oder Anlass zu einer besonderen Gefahrenlage gegeben. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung sei es vielmehr äußerst ungewöhnlich, dass ein anwaltliches Schriftstück auf dem Postweg gezielt abgefangen und in Bezug auf die IBAN manipuliert werde. Eine Obliegenheit, die nach Unterzeichnung zurückgesandte Vergleichsfassung nochmals auf eine derartige Veränderung zu überprüfen, bestehe daher nicht.
Anmerkung
Die Entscheidung bestätigt die strenge Risikozuweisung bei Geldschulden. Maßgeblich ist allein der Zahlungserfolg, nicht die Zahlungsabsicht des Schuldners. § 270 BGB verlagert das Übermittlungsrisiko eindeutig in dessen Sphäre; eine Korrektur über Treu und Glauben bleibt auf Ausnahmefälle beschränkt, in denen der Gläubiger selbst eine atypische Gefahrenlage geschaffen hat.
Bemerkenswert ist, dass der Bundesgerichtshof die Grenze einer Zurechnung klar zieht: Selbst eine professionelle Beteiligung auf beiden Seiten – einschließlich anwaltlicher Vertretung – begründet keine Obliegenheit, mit derart gezielten Manipulationen zu rechnen. Damit erteilt das Gericht einer faktischen Risikoverlagerung auf den Gläubiger eine deutliche Absage.
Praxisfolgen
Für die Praxis bedeutet dies:
- Schuldner bleiben auch bei Betrug durch Dritte zur Zahlung verpflichtet, wenn das Geld den Gläubiger nicht erreicht.
- Eine schuldbefreiende Wirkung tritt nur bei Gutschrift auf dem tatsächlich benannten Konto ein.
- Gläubiger und ihre Anwälte müssen sich eine Manipulation der Kontodaten nicht zurechnen lassen, sofern sie selbst kein fehlerhaftes oder risikobegründendes Verhalten gezeigt haben.
Das Urteil unterstreicht die Notwendigkeit sorgfältiger Kontodatenprüfung auf Schuldnerseite und stärkt zugleich die Rechtssicherheit für Gläubiger.
