Erbvertrag vor Heirat geschlossen BGH: Erbvertrag zwischen Lebensgefährten bleibt trotz späterer Scheidung wirksam
Mit Beschluss vom 22. Mai 2024 (Az. VI ZB 26/23) hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass eine gegenseitige Erbeinsetzung in einem Erbvertrag zwischen nicht verheirateten Lebensgefährten auch dann wirksam bleibt, wenn die Partner später heiraten und sich wieder scheiden lassen – sofern keine anderslautende Regelung im Vertrag getroffen wurde.
Sachverhalt
Ein Paar hatte im Jahr 1995 – noch in nichtehelicher Lebensgemeinschaft – einen notariellen Erbvertrag geschlossen und sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt. 1999 heiratete das Paar, 2021 wurde die Ehe geschieden. Nach dem Tod der Frau im Jahr 2023 argumentierte ihr Sohn, die Erbeinsetzung des geschiedenen Ehemanns sei wegen der Scheidung gemäß § 2077 BGB (i.V.m. § 2279 BGB) unwirksam geworden. Der BGH verneinte dies.
Rechtlicher Rahmen
- § 2077 Abs. 1 S. 1 BGB: Eine Verfügung von Todes wegen zugunsten des Ehegatten wird unwirksam, wenn die Ehe vor dem Tod des Erblassers aufgelöst wird.
- Diese Vorschrift ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH nicht analog auf nichteheliche Lebensgemeinschaften anwendbar.
- Eine analoge Anwendung kommt nur in Betracht, wenn eine planwidrige Regelungslücke besteht und vergleichbare Interessenlagen vorliegen.
Warum keine Analogie zu § 2077 BGB?
Der BGH betont, dass eine nichteheliche Lebensgemeinschaft nicht automatisch rechtlich mit einer Ehe vergleichbar ist – insbesondere nicht in ihren rechtlichen Folgen. Die Vorschrift des § 2077 BGB ist spezifisch auf das besondere rechtliche Band der Ehe zugeschnitten, das mit rechtlich klaren Konsequenzen beginnt und endet (z. B. durch Scheidung). Bei nichtehelichen Partnerschaften fehlen solche strukturierten Rahmenbedingungen.
Zudem verknüpfen Partner einer nichtehelichen Beziehung in der Regel keine automatischen Rechtsfolgen mit dem Beziehungsende, wie sie § 2077 für die Ehe voraussetzt. Auch fehlt es an einer planwidrigen Lücke: Der Gesetzgeber hat sich bewusst dagegen entschieden, vergleichbare Regelungen für Lebensgefährten zu schaffen. Eine analoge Anwendung wäre daher gesetzesüberschreitend und systemwidrig.
Kernaussagen des BGH
- Der ursprüngliche Erbvertrag wurde nicht im Hinblick auf eine Eheschließung geschlossen, sondern in einer Phase, in der das Paar gerade keine Heirat wollte.
- Die spätere Eheschließung und Scheidung lassen den Vertrag unberührt, solange keine vertragliche Abhängigkeit zur Ehe erkennbar ist.
- Eine nachträgliche automatische Unwirksamkeit der Erbeinsetzung lässt sich aus § 2077 BGB weder direkt noch analog herleiten.
Praktische Bedeutung
Diese Entscheidung unterstreicht die Verlässlichkeit notarieller Erbverträge zwischen Lebensgefährten – auch dann, wenn sich die rechtlichen oder persönlichen Verhältnisse später ändern. Ein späterer Ehestatus hat keinen Rückwirkungsmechanismus auf eine zuvor getroffene Verfügung, es sei denn, der Vertrag enthält eine entsprechende Regelung.
Fazit
Eine zwischen Lebensgefährten vereinbarte gegenseitige Erbeinsetzung bleibt auch dann wirksam, wenn die Partner später heiraten und sich wieder scheiden lassen – sofern die Verfügung nicht ausdrücklich an eine bestehende Ehe geknüpft war. Die Vorschrift des § 2077 BGB ist nicht analog anwendbar.
Quelle: Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 22.05.2024 – VI ZB 26/23