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Das OLG Düsseldorf mit dem anderen Ende der Fahnenstange Start-ups und die Insolvenzantragspflicht: Anforderungen an eine positive Fortführungsprognose

Unter welchen Voraussetzungen darf ein Geschäftsführer eines Start-ups zu erwartende finanzielle Mittel in die Planrechnung zur Liquidität des Unternehmens einstellen?

Diese Frage wiederum ist von Relevanz für das Thema der Insolvenzgründe und der daraus resultierenden Insolvenzantragspflicht.

Insolvenzgründe

Die Insolvenzgründe sind die der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung. Eine Überschuldung liegt dann nicht vor, wenn die Fortführung des Unternehmens nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist. Letzteres ist wiederum dann der Fall, wenn es einen aussagekräftigen und plausiblen Finanzplan gibt, aus dem die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens hervorgeht.

Positives Beispiel in Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 20.07.21

In einem Beschluss vom 20.07.2021 hat das OLG Düsseldorf in einer ersten Entscheidung die Voraussetzungen dafür benannt, unter denen liquide Mittel aus zu erwartenden Finanzierungen in diese Planung eingestellt werden dürfen. Dies sind danach:

  • Eine von der Geschäftsführung zu begründende Verlässlichkeit, warum sie damit rechnen durfte, dass weitere finanzielle Mittel auch zukünftig zur Verfügung gestellt werden (obwohl es hierzu an einer verbindlichen einklagbaren Zusage fehlt).
  • Hierzu müssen die Bedingungen erfüllt sein, die ein Investor an die (weitere) Gewährung seiner Finanzierung knüpft, wozu die Vorlage einer nachvollziehbaren Planung gehört.

Negatives Beispiel in zweiter Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 09.02.22

In einem weiteren Beschluss vom 09.02.2022 zeigt das OLG Düsseldorf nunmehr das „andere Ende der Fahnenstange“ und damit die Grenzen der anzunehmenden bzw. in diesem Fall dann nicht mehr anzunehmenden Fortführungsprognose bei Start-ups.

Zu entscheiden war diese Thematik aufgrund des Umstandes, dass in dem betreffenden Verfahren ein Insolvenzverwalter den Geschäftsführer eines Start-ups aus Geschäftsführerhaftung wegen Insolvenzverschleppung mit dem Argument in Anspruch nahm, der Insolvenzantrag sei zu spät gestellt worden. Bei dem betreffenden Start-up handelt es sich um eine Gesellschaft, die ein fruchtiges Energy-Getränk herstellen wollte, das über eine alkoholabbauende Wirkung verfügen sollte. Die Gesellschaftsgründung und die erste Zeit der Geschäftstätigkeit zeichneten sich durch folgende Eckpunkte des Geschehens aus:

  • Die Kosten für eine medizinische Untersuchung und Studium im Hinblick auf diese alkoholabbauende Wirkung wurden mit 15.000,00 € veranschlagt. Dieser Betrag sollte von den Gesellschaftern zu gleichen Teilen aufgebracht werden und für den Fall, dass dies nicht erfolgt, sollte der diese Untersuchungen und Studien durchführende Arzt einen im Rahmen einer Kapitalerhöhung neu zu schaffenden Geschäftsanteil zeichnen dürfen, wodurch er 5 % an der Gesellschaft erhalten sollte.
  • Ob diese alkoholabbauende Wirkung durch derartige Studien bis zum Insolvenzantrag nachgewiesen worden war, blieb in dem gerichtlichen Verfahren offen, da von keiner der Parteien hierzu ein Vortrag erfolgt war.
  • Für die sich an diese Studie anschließende Erstproduktion gingen die Gesellschafter von einem Finanzierungsvolumen von 90.000 € aus, welches prozentual entsprechend ihren Anteilen zu erbringen war. Dieser Finanzierungsbeitrag sollte jeweils zu 1/3 durch eine Kapitalerhöhung und zu 2/3 durch Darlehen aufgebracht werden, wobei es verpflichtende Absprachen hierzu nicht gab.
  • Und nur für den Fall eines durch medizinische Untersuchungen und Studien bestätigten beschleunigten Alkoholabbaus lag eine Erklärung eines Dritten vor, diese Produktionsphase alleine zu finanzieren.

Diese Situation hat das Oberlandesgericht Düsseldorf in seiner weiteren und damit zweiten Entscheidung zu diesem Thema der Gestalt bewertet, dass die Voraussetzungen für eine positive Fortführungsprognose nicht vorlagen. Zwar sei es für Start-up Unternehmen ausreichend, dass sie mit einer mehr als 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit in der Lage seien, ihre im Prognosezeitraum fälligen Zahlungsverpflichtungen aufgrund einer Zusage über externe Finanzierungsmittel zu decken. Ein mit 100 %iger Wahrscheinlichkeit geltend zu machender Anspruch ist also nicht erforderlich.

Um zu dieser Annahme zu kommen, bedürfe es aber

  • einer nachvollziehbaren, realistischen Finanzplanung, die die geplante Geschäftsausrichtung erfolgversprechend erscheinen lässt;
  • Und eben keiner in jedem Einzelfall vom Willen des Geldgebers abhängenden Bereitschaft zur Gewährung weiterer finanzieller Mittel.

Der berechtigten Annahme einer Fortführungsprognose stand in dem vorliegenden Fall letztendlich entgegen, dass

  • die alkoholabbauende Wirkung dieses Energy-Getränkes nicht medizinisch nachgewiesen war und es damit an relevanten Grundlagen für eine erfolgversprechende Marktentwicklung fehlte;
  • und es keine Finanzierungszusage gab, deren Voraussetzungen erfüllt waren oder von deren zu erfüllenden Voraussetzungen die Geschäftsführung in der Vergangenheit ausgehen durfte.

Beide Beschlüsse des OLG Düsseldorf verdeutlichen die beiden „Enden der Fahnenstange“, innerhalb derer die Geschäftsführung eines Start-up Unternehmens zu entscheiden hat, ob sie berechtigterweise von zukünftig zu erhaltenden finanziellen Mitteln ausgehen darf oder nicht. Eine mehr als 50 %iger Wahrscheinlichkeit reicht dafür bei start-ups aus. Dies ist die weiterhin positive Nachricht. Deutlich wird aber auch: Die üblichen unternehmerischen Aufgaben müssen erfüllt sein und dies bedeutet, dass unabhängig von allen Start-up Unwägbarkeiten eine nachvollziehbare Finanzplanung vorliegen muss.

Hierfür muss konkret dargelegt werden können, unter welchen Voraussetzungen zukünftig Finanzierungsmittel zur Verfügung gestellt werden und warum die Geschäftsführung annehmen darf, dass das Unternehmen diese Voraussetzungen erfüllt. Hierzu sollte jede Geschäftsführung zum Eigenschutz über chronologisch fortgeschriebene Aufzeichnungen verfügen.

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