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Produkthaftungsrichtlinie EuGH zur Produkthaftung: Wer den Markennamen trägt, haftet wie der Hersteller

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der Rechtssache C-157/21 sorgt für ein klares Signal im Bereich der Produkthaftung: Wer mit dem Namen und Logo eines Herstellers wirbt, kann sich im Schadensfall nicht einfach aus der Verantwortung ziehen. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob Händler und Lieferanten, die sich optisch und markenrechtlich eng an den Hersteller anlehnen, auch für fehlerhafte Produkte haften müssen – selbst wenn sie diese nicht selbst produziert haben.

Sachverhalt

Ein langwieriger Rechtsstreit zum Thema Produkthaftung könnte nun durch ein Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ein Ende finden. Vor über 20 Jahren erwarb ein italienischer Autofahrer ein Ford-Fahrzeug von einer Vertragshändlerin, die in Italien Modelle des Herstellers verkauft. Kurz nach dem Kauf hatte der Mann einen Verkehrsunfall, bei dem der Airbag versagte.

Daraufhin verklagte der Kunde die Vertragshändlerin sowie die Lieferantin Ford Italia auf Schadensersatz für die erlittenen Verletzungen. Ford Italia wies die Forderung zurück und argumentierte, sie sei nicht für den Mangel verantwortlich, da sie das Fahrzeug nicht selbst hergestellt habe.

Das betreffende Fahrzeug wurde von der in Deutschland ansässigen Ford WAG hergestellt und anschließend über Ford Italia an Stracciari geliefert, ein Unternehmen, das Ford-Fahrzeuge in Italien vertreibt. Sowohl die Ford WAG als auch Ford Italia gehören zur gleichen Unternehmensgruppe.

Exkurs: Haftung nach dem ProdHaftG in Deutschland

Das ProdHaftG setzt die EU-Produkthaftungsrichtlinie in deutsches Recht um und ergänzt vertragliche und deliktische Haftungsregelungen. Es regelt in Deutschland die verschuldensunabhängige Haftung von Herstellern für Schäden, die durch fehlerhafte Produkte verursacht werden. Es dient dem Schutz von Verbrauchern und betrifft sowohl Personen- als auch Sachschäden.

Wichtige Punkte:

  • Haftung : Der Hersteller haftet, wenn ein Produkt aufgrund eines Fehlers einen Schaden verursacht – unabhängig davon, ob ihm ein Verschulden nachgewiesen werden kann.
  • Fehlerarten : Herstellungsfehler, Konstruktionsfehler, Instruktionsfehler (z.B. unzureichende Gebrauchsanweisungen oder Warnhinweise).
  • Geschädigte : Jeder Geschädigte kann Ansprüche geltend machen, nicht nur der Käufer des Produkts.
  • Haftungsgrenze : Bei Sachschäden gilt ein Selbstbehalt von 500 Euro.
  • Verjährung : Ansprüche verjähren nach 3 Jahren ab Kenntnis des Schadens und des Schädigers. Spätestens jedoch nach 10 Jahren ab Inverkehrbringen des Produkts erlischt der Anspruch.

Wer gilt als Hersteller?

Der EuGH musste sich nun mit der Frage auseinandersetzen, wer als Hersteller im Sinne der EU-Produkthaftungsrichtlinie gilt. Art. 3 der Richtlinie enthält dazu folgende Angaben:

Hersteller" ist der Hersteller des Endprodukts, eines Grundstoffs oder eines Teilprodukts sowie jede Person, die sich als Hersteller ausgibt, indem sie ihren Namen, ihr Warenzeichen oder ein anderes Erkennungszeichen auf dem Produkt anbringt.

Entscheidung des EuGH

Wer den Namen und das Logo eines Herstellers nutze, könne sich bei Mängeln nicht darauf berufen, nicht der eigentliche Produzent zu sein, urteilte der Europäische Gerichtshof (C-157/21). Wenn in der EU-Richtlinie die Rede sei von der „Person, die sich als Hersteller ausgibt“, umfasse dies nicht nur (juristische) Personen, deren Name auf dem Produkt angebracht sei, sondern auch Händler und Lieferanten, deren Name und Logo mit dem des Herstellers übereinstimmten.

Händler und Lieferanten nutzten schließlich die Unternehmenskennzeichen, um mit der Qualität der Ware zu werben und vom Vertrauen der Kunden in die Marke des Herstellers zu profitieren. Verbraucher verließen sich im Wesentlichen auf den Markennamen: Sie vertrauten dem Händler oder Lieferanten genauso, als würden sie das Produkt direkt vom Hersteller kaufen.

Mit dem gesetzgeberischen Ziel, die Interessen der Verbraucher so gut wie möglich zu wahren, wäre es unvereinbar, wenn sie sich wegen eines fehlerhaften Produkts nur an den Hersteller halten könnten.

Quelle: Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19.12.2024 – C-157/21

Hinweis: Neue EU-Produkthaftungsrichtlinie

In diesem Zusammenhang sollte darauf hingewiesen werden, dass die bestehende Produkthaftungsrichtlinie 85/374/EWG Ende 2026 durch die neue Produkthaftungsrichtlinie 2024/2853 ersetzt wird. Diese ist bereits Ende 2024 in Kraft getreten, die Mitgliedsstaaten haben jedoch bis zum 09.Dezember 2026 Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. An der Auslegung des Herstellerbegriffs wird sich dadurch jedoch vermeintlich nichts ändern.

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