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Nicht autorisierte Zahlungsvorgänge PIN zusammen mit gestohlener Karte aufbewahrt: Muss die Bank die Zahlungen erstatten?

Eine Kundin verlangte von ihrer Sparkasse Erstattung von 10.456 Euro infolge unrechtmäßig getätigter Abbuchungen von ihrem Girokonto. Sie behauptete, die Geheimnummer (PIN) für die Karte auswendig gelernt und nicht notiert zu haben. Die Bank verweigerte jedoch die Zahlung mit der Begründung, dass die Kundin die PIN zusammen mit der Karte aufbewahrt und somit ihre Sorgfaltspflichten grob fahrlässig verletzt habe.

Was ist passiert?

Eine Kundin verlangte von ihrer Sparkasse Erstattung von 10.456 Euro infolge unrechtmäßig getätigter Abbuchungen von ihrem Girokonto. Sie behauptete, die Geheimnummer (PIN) für die Karte auswendig gelernt und nicht notiert zu haben. Die EC-Karte habe im Portemonnaie gesteckt, das sie in der Handtasche aufbewahrte. Als sie am 14.7.2020 einkaufen gehen wollte, habe sie das Fehlen der Geldbörse bemerkt.

Online habe sie dann gesehen, dass die Zahlungskarte am 13. und 14. Juli 40 Mal missbräuchlich eingesetzt worden sei: überwiegend bei Einkäufen, einmal zum Abheben von Bargeld am Geldautomaten. Mit der Karte habe der Dieb (oder die Diebe) an unterschiedlichen Orten in sehr kurzen Zeitabständen Geld ausgegeben, da müsse auch eine Doublette angefertigt und eingesetzt worden sein.

Die Sparkasse kam für den Verlust nicht auf und warf der Kundin fahrlässiges Verhalten vor. Da die Originalkarte mit der richtigen PIN verwendet wurde, müsse sie die Nummer notiert und die Notiz zusammen mit der Bankkarte aufbewahrt haben.

Nicht autorisierte Zahlungsvorgänge

Wenn ein Zahlungsvorgang nicht autorisiert wurde, hat der Kunde grundsätzlich gem. § 675u S. 2 BGB einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Zahlungsdienstleister (also der ausführenden Bank). Eine Zahlung gilt nur dann als autorisiert, wenn der Zahlende zugestimmt und diese Zustimmung auch nicht rechtzeitig widerrufen hat (§ 675j BGB).

Bei der missbräuchlichen Nutzung einer Karte können jedoch Gegenansprüche des Zahlungsdienstleister bestehen. So ist der Zahler seinem Zahlungsdienstleister beispielsweise dann zum Schadensersatz verpflichtet, wenn der Zahler vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht alle zumutbaren Vorkehrungen zum Schutz der personalisierten Sicherheitsmerkmale vor unbefugtem Zugriff vorgenommen hat (§ 675v Abs. 3 BGB). Wenn ein solcher Anspruch des Zahlungsdienstleisters gegen den Kunden besteht, läuft der Erstattungsanspruch des Kunden quasi ins Leere. Der Zahlungsdienstleister kann nämlich mit seinem Schadensersatzanspruch aufrechnen oder die "dolo-agit"-Einrede erheben,

Das OLG Dresden musste nun also darüber entscheiden, ob die Klägerin zumindest grob fahrlässig ihre Sorgfaltspflichten im Umgang mit der Pin verletzt hat.

Entscheidung des OLG Dresden

Das OLG Dresden stellte zunächst fest, dass es grob fahrlässige Verletzung der auferlegten Pflichten sei, eine Bankkarte und eine Notiz der zugehörigen PIN gemeinsam aufzubewahren. Ein solches Verhalten stritt die Kontoinhaberin zwar ab. Die Beweislage sprach jedoch gegen sie:

Laut Gutachten des Sachverständigen sei das Sicherheitssystem der Sparkasse praktisch nicht zu überwinden und habe im Juli 2020 fehlerfrei funktioniert. Der EMV-Chip der Karte sei nach aktuellem Wissensstand nicht fälschbar, so das OLG. Der Experte habe auch den Einwand entkräftet, die Originalkarte könne bei so kurzen Zeitabständen nicht überall im Spiel gewesen sein: Die Zeitstempel von Händlerterminals gäben nicht immer die richtige Uhrzeit an, sondern eine eingestellte, geräteabhängige Systemuhrzeit. 

Auch wenn man eine Sicherheitslücke nie völlig ausschließen könne: Anders als beim Online-Banking sei die Wahrscheinlichkeit eines Fehlers bei Bezahlvorgängen mit Bankkarten „verschwindend gering“. Wenn dann das Geschehen auch noch so typisch ablaufe wie hier – häufiger Einsatz der Karte an einem Ort sofort nach dem Diebstahl –, liege nach der Lebenserfahrung die Annahme nahe, dass die Kontoinhaberin gegen ihre Sorgfaltspflichten im Umgang mit der PIN verstoßen habe. 

Im Ergebnis hat die Klägerin gegen die Beklagte zwar einen Erstattungsanspruch auf Wiedergutschrift aus § 675u S. 2 BGB, weil nicht-autorisierte (§ 675j Abs. 1 S. 1 BGB) Zahlungsvorgänge (§ 675f Abs. 4 S. 1 BGB) vorgenommen worden sind. Die Beklagte hat allerdings gegen die Klägerin einen Schadensersatzanspruch aus § 675v Abs. 1, 3 BGB, den sie dem Klageanspruch entgegenhalten kann. Würde die Beklagte den Erstattungsanspruch erfüllen, dann könnte sie sofort Schadensersatz von der Klägerin in gleicher Höhe verlangen. Die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs wäre daher eine missbräuchliche Rechtsausübung, die nicht mit § 242 BGB vereinbar sei.

Quelle: Urteil des Oberlandesgerichts Dresden vom 13.03.2024 – 5 U 589/23

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