Digitale Inhalte und Verbraucherrecht Das neue Kaufrecht ist da - Änderungen in AGB notwendig!
Seit dem 1. Januar 2022 sollten Sie über die neuen Vorschriften zum Kaufrecht informiert sein und Ihre Vertragsdokumente, Garantieerklärungen, AGBs etc. aktualisiert haben, denn ab diesem Stichtag gelten die neuen Regelungen, die neben dem Erwerb von Kaufsachen mit digitalen Elementen, u.a. auch den Sachmangelbegriff völlig neu definieren.
Dringend notwendig geworden war die auf der EU-Warenkaufrichtlinie Nr. 2019/771 zurückzuführende Reform angesichts der immer stärker werdenden Nutzung und Verbreitung von digitalen Produkten, worunter nicht nur Mobiltelefone oder Tabletts, sondern auch digitale Haushaltsgeräte oder PKWs fallen. Der Anwendungsbereich und die praktische Relevanz der bevorstehenden Änderungen werden daher sehr weitreichend sein.
Im Juni 2021 wurde vom Bundestag gerade noch rechtzeitig vor Ablauf der in der EU-Richtlinie bestimmten Umsetzungsfrist das „Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderen Aspekten des Kaufvertrags“ verabschiedet. Gelten werden die neuen Paragrafen dann ab dem 01.01.2022, also für alle ab diesem Tag geschlossene Kaufverträge.
Der nachfolgende Überblick beschränkt sich auf einige besonders praxisrelevante Änderungen bzw. Neuerungen.
Neudefinition des Sachmangelbegriffs
Besondere Bedeutung für die Praxis wird die von der bisherigen Rechtslage stark abweichende Neudefinition des Begriffs der Mangelhaftigkeit einer Kaufsache in § 434 BGB haben. Bisher reichte es nach dem subjektiven Mangelbegriff aus, dass die Kaufsache der zwischen Käufer und Verkäufer vereinbarten Beschaffenheit entspricht.
Nach der Neufassung des Sachmangelbegriffs muss die Kaufsache zusätzlich auch objektive Anforderungen erfüllen und sich insbesondere für die gewöhnliche Verwendung eignen und die übliche Beschaffenheit aufweisen.
Diese neue Rechtslage kann sich als problematisch erweisen, z.B. bei Sonderanfertigungen, die nicht den handelsüblichen Eigenschaften eine Kaufsache entsprechen. In solchen Konstellationen ist darauf zu achten, dass das Vorliegen der objektiven Merkmale als Voraussetzung für eine Mangelfreiheit wirksam ausgeschlossen wird, was nach der Neuregelung jedenfalls im B2B-Bereich zulässig sein wird. Gegenüber Verbrauchern wird ein solcher Ausschluss nach der Neugestaltung des § 476 BGB nur dergestalt erfolgen können, dass der Verbraucher vor dem Kauf über die Abweichung von der objektiven Beschaffenheit in Kenntnis gesetzt wird und diese Abweichung in einem gesonderten Schriftstück ausdrücklich vereinbart wird.
Update-Pflicht bei Kaufsachen mit digitalen Elementen beim Verbrauchsgüterkaufvertrag
Bei dem Verkauf von Produkten mit digitalen Elementen trifft den Verkäufer gegenüber dem Verbraucher ab sofort eine sog. Aktualisierungspflicht. Eine Kaufsache mit digitalen Elementen gilt nur dann als mangelfrei, wenn dem Erwerber für einen bestimmten Zeitraum ein Update bereitgestellt wird. Ziel der Regelung ist es, die Funktionsfähigkeit und IT-Sicherheit des Produktes so lange sicher zu stellen, wie der Erwerber dies nach den Umständen und der Art des Vertrags erwarten kann. Denn ohne die notwendigen Updates wird der Verbraucher die Sache nicht nutzen können.
Viele offene Fragen werden in diesem Zusammenhang noch zu klären sein: Wie lange besteht die Update-Pflicht im Einzelfall bzw. welche Zeiträume ergeben sich hier konkret aus der Art und den Umständen des Vertrags in Bezug auf bestimmte Warengruppen? Welche Pflichten treffen den Verkäufer, der nicht zugleich Hersteller des Produkts und Lieferant des Updates ist?
Ergänzende Sonderregelungen wurden in § 475 c BGB für den Erwerb einer Kaufsache getroffen, für die eine dauerhafte Bereitstellung von digitalen Elementen für einen bestimmten oder unbestimmten Zeitraum vereinbart wurde. Unter eine solche dauerhafte Bereitstellung fallen beispielsweise die fortlaufende Übermittlung von Verkehrsdaten in einem Navigationssystem oder die Cloud-Anbindung bei einer Spiele-Konsole.
Fest steht jedenfalls, dass die Neuregelungen zu einer merklichen Erweiterung des Gewährleistungszeitraums für den Verkäufer führen können. Insoweit erscheint es ratsam, feste Bereitstellungszeiträume für die Lieferung von Updates zu vereinbaren. Ob und inwieweit solche Zeiträume beim Verbrauchsgüterkauf in AGBs wirksam vereinbart werden können, wird sicherlich noch das ein oder andere Gericht beschäftigen.
Verlängerung der Beweislastumkehr zu Lasten des Verkäufers
Nach neuem Recht wird bei Auftreten eines Mangels innerhalb von einem Jahr – und nicht wie bislang innerhalb von sechs Monaten – zu Gunsten des Verbrauchers vermutet, dass der Mangel schon bei Übergabe der Kaufsache vorlag. Den Verkäufer wird diese Neuregelung in § 477 BGB wenig erfreuen, denn es ist anzunehmen, dass die Verlängerung der Frist zu einem Anstieg der Gewährleistungsfällen führen wird. Je mehr Zeit verstreicht, desto schwieriger wird es zudem für den Verkäufer, den Gegenbeweis der Mangelfreiheit zu führen. Die Verlängerung der Frist der Beweislastumkehr gilt übrigens für alle Produkte, nicht nur für den digitalen Bereich.
Rücktritt vom Verbrauchsgüterkauf wird für Verkäufer erleichtert
Nach derzeitiger Rechtslage kann der Verkäufer beim Verbrauchsgüterkauf gem. § 475 BGB eine Nachbesserung und Nachlieferung selbst dann nicht ablehnen, wenn damit unverhältnismäßig hohe Kosten verbunden sind. Diese Regelung wird gestrichen mit der Folge, dass die Nacherfüllungspflicht des Verkäufers in solchen Fällen entfällt. Dem Käufer bleibt das Recht auf Rücktritt vom Vertrag oder auf Minderung des Kaufpreises. Hierbei dürfte es sich um eine der wenigen, den Verkäufer stärkende Vorschrift der Reform handeln.
Fazit
Die Kaufrechtsreform betrifft im Wesentlichen das Verbrauchsgüterkaufrecht und führt zu einer merklichen Stärkung der Verbraucherrechte. Allerdings ist in der Praxis damit zu rechnen, dass sich die dort getroffenen Regelungen auch auf die Vertragsgestaltungen im B2B-Bereich auswirken werden. Die neuen, vor allem den Verkäufer in die Pflicht nehmenden Vorschriften machen jedenfalls eine sorgfältige Überarbeitung und Anpassung von AGBs, Garantieerklärungen und sonstigen Vertragsdokumenten notwendig.