Untersuchungs- und Rügepflichten im deutschen, belgischen, niederländischen und UN-Kaufrecht: Auch außerhalb kaufmännischer Rechtsgeschäfte bestehen Untersuchungs- und Rügepflichten
Der Handelsverkehr ist geprägt von dem Grundsatz der Einfachheit und Schnelligkeit. Deshalb gibt es viele Rechtsordnungen, die vorsehen, dass der Käufer einer Sache den Kaufgegenstand nach Lieferung auf Vertragskonformität untersuchen und mögliche Mängel unverzüglich oder zumindest in angemessener Zeit rügen muss. Derartige Vorschriften sollen den Verkäufer vor Inanspruchnahme und Beweisschwierigkeiten noch nach längerer Zeit wegen dann nur schwer feststellbarer Mängel schützen und so auch im Interesse des Käufers eine sachgerechte Risikoverteilung zwischen beiden fördern.
Nationale und internationale rechtliche Regelungen hierzu sind jedoch sehr unterschiedlich ausgestaltet. Wir möchten in diesem Artikel die Grundzüge im deutschen, belgischen und niederländischen sowie im UN-Kaufrecht darlegen.
1. Untersuchungs- und Rügepflichten im deutschen Recht
1.1. B2B
§ 377 HGB regelt im deutschen Recht die Untersuchungs- und Rügepflicht des Käufers. Ist der Kauf für beide Teile ein Handelsgeschäft, so hat der Käufer die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsgemäßem Geschäftsgang tunlich ist, zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen.
Unterlässt der Käufer eine solche Anzeige, so gilt die Ware als genehmigt, es sei denn, dass es sich um einen Mangel handelt, der bei der Untersuchung nicht erkennbar war.
Zeigt sich hingegen später ein solcher Mangel, so muss die Anzeige unverzüglich nach der Entdeckung gemacht werden; anderenfalls gilt die Ware auch in Ansehung dieses Mangels als genehmigt.
Der Käufer hat keine Pflicht zur Untersuchung und Rüge, sondern es handelt sich dogmatisch um eine Obliegenheit. Verletzt er diese Obliegenheit im kaufmännischen Verkehr, so sanktioniert ihn § 377 HGB dadurch, dass er seine Gewährleistungsrechte gemäß § 437 BGB nicht mehr durchsetzen kann.
Eine Besonderheit im deutschen Recht liegt jedoch darin, dass die Untersuchungs- und Rügepflicht nicht jedes B2B-Geschäft erfasst, sondern auf den kaufmännischen Verkehr beschränkt ist. Das Geschäft muss ein solches sein, an dem zwei Vollkaufleute beteiligt sind. Nicht jeder Unternehmer ist jedoch Kaufmann im Sinne des Handelsgesetzbuches. Vollkaufleute sind zum Beispiel GmbHs und Aktiengesellschaften qua Form, oder qua Eintragung im Handelsregister, wie der e. K. Ansonsten ist Kaufmann nur derjenige, dessen Gewerbebetrieb von Art und Umfang her eine kaufmännische Einrichtung voraussetzt.
Kleinunternehmer oder freie Berufe, die unternehmerisch/gewerblich handeln, haben daher grundsätzlich keine Pflicht, die Ware nach Eingang unverzüglich zu untersuchen und eventuelle Vertragswidrigkeiten zu rügen. Allerdings gilt dies nicht uneingeschränkt. In einem Beschluss vom 02.07.2019 führte der VIII. Senat des BGH in einem Fall mit Bezug zum Weinhandel aus, dass es auch bei fehlender Anwendbarkeit des § 377 HGB grundsätzlich nicht ausgeschlossen sei, dass im Einzelfall auch bei der Vertragsbeteiligung eines Nichtkaufmanns, insbesondere, wenn – wie in dem zu entscheidenden Fall – der Verkäufer Nichtkaufmann, der Käufer jedoch Kaufmann war, besondere Umstände vorliegen können, die es angezeigt erscheinen lassen, zu Rechtsfolgen zu gelangen, die denen des § 377 HGB entsprechen oder ähneln. Dies könne entweder über Vereinbarung, Handelsbräuche oder sonstige Verkehrssitten eintreten, darüber hinaus ausnahmsweise jedoch auch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) abgeleitet werden, wenn besondere Umstände, wie etwa die Besonderheiten der Ware oder ein besonderer Zuschnitt des Geschäfts eine rasche Mängelbehandlung gebieten und der Vertragspartner begründeten Anlass hat, auf eine alsbaldige Anzeige etwaiger Mängel vertrauen zu können.
Daher wäre es zu kurz gesprungen, die deutsche Rechtslage im unternehmerischen Rechtsverkehr, soweit die Untersuchungs- und Rügepflicht betroffen ist, auf Handelsgeschäfte zwischen Vollkaufleuten zu beschränken.
Die Untersuchung der Ware muss gemäß § 377 HGB unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern nach Eintreffen der Lieferung erfolgen. Ohne schuldhaftes Zögern heißt: sobald wie möglich. Anzuwenden ist ein objektiver Maßstab. Dies ist dem Grundsatz der Schnelligkeit des Handelsverkehrs und der Beweisnähe geschuldet. Persönliche Umstände, wie z.B. fehlende Möglichkeit der unmittelbaren Untersuchung aufgrund Urlaubs, zu geringen Personals etc. entlasten den Käufer nicht. Dieser hat seinen Geschäftsbetrieb so einzurichten, dass ihm eine ordnungsgemäße unverzügliche Untersuchung der Ware möglich ist.
Erfüllt er diese Obliegenheit nicht, verwirkt er seine Rechte.
Dabei gilt allerdings, dass die Untersuchung mit angemessenen Mitteln erfolgen muss. Dies ist jeweils Tatfrage. Versteckte Mängel, die bei ordnungsgemäßer Untersuchung nicht entdeckt werden können, schließen Gewährleistungsrechte nicht aus. Was im Einzelfall geschuldet ist, entzieht sich einer pauschalen Betrachtung. Jedenfalls ist durch die Rechtsprechung anerkannt, dass Waren auch unter Inkaufnahme von deren Zerstörung untersucht werden müssen. Verpackungen müssen stichprobenartig geöffnet werden, bei zu verarbeitenden Materialien muss eine Probeverarbeitung erfolgen, selbst wenn dann ein Teil der Ware nicht mehr weiterverkauft werden kann.
1.2. B2C / C2C
Außerhalb des kaufmännischen Verkehrs und vorbehaltlich von Sonderfällen wie dem zitierten Beschluss des BGH gibt es im deutschen Recht keine Untersuchungs- und Rügepflicht. Bei einem Verbraucher- oder C2C-Geschäft muss der Käufer die Ware grundsätzlich nicht untersuchen.
1.3. Rügepflicht
Hat der Käufer seine Untersuchungspflicht erfüllt, trifft ihn die Rügepflicht. Nach Entdecken des Mangels muss er den Mangel unverzüglich rügen. Diese Frist ist angesichts der Möglichkeit, auf moderne digitale Kommunikationsmittel zurückzugreifen, im Zweifel sehr kurz. Der Mangel ist dabei so konkret wie möglich anzugeben, so dass der Verkäufer sich ein Bild von dem Mangel machen kann, um dem Mangel abzuhelfen. Der Käufer muss allerdings nicht die Ursache für den Mangel ermitteln oder angeben.
Eine Form ist für die Rüge nicht vorgeschrieben, doch gebietet die Beweissicherung eine schriftliche Dokumentation.
Die Verpflichtung zur unverzüglichen Rüge trifft auch den Käufer, der erst später einen sogenannten versteckten Mangel, der bei angemessener Überprüfung der Kaufsache zum Zeitpunkt der Lieferung nicht zu erkennen war, entdeckt.
1.4. Kenntnis eines Mangels vor oder bei Abschluss des Kaufvertrages
Dem Käufer stehen die Gewährleistungsrechte des § 437 BGB zu, wenn er den Mangel nicht vor oder bei Abschluss des Kaufvertrages kennt und die Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht.
Kennt er den Mangel, ist er nicht schutzbedürftig, weswegen § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB bestimmt, dass der Verkäufer seine Gewährleistungsansprüche verliert. Diese Vorschrift ist jedoch eine Einwendung des Verkäufers gegen Ansprüche des Käufers, so dass der Verkäufer nach allgemeinen Beweislastregeln die positive Kenntnis des Käufers beweisen muss. Dies ist in aller Regel schwierig.
Kannte der Käufer den Mangel nicht, hätte er ihn jedoch kennen können und ist die Unkenntnis grober Fahrlässigkeit geschuldet, kann er Rechte wegen des Mangels nur geltend machen, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat. Grobe Fahrlässigkeit bedeutet, dass der Käufer in besonders schwerem Maße ein Mindestmaß an Information und Aufmerksamkeit vernachlässigt hat. Der Käufer hat allerdings das Recht, sich auf Angaben des Verkäufers zu verlassen, ohne weitere Informationen einzuholen. Er muss sich auch keiner sachverständigen Person zur Prüfung der Ware bedienen. Grob fahrlässig ist jedoch nach Ansicht des BGH, zum Beispiel bei einer Internetauktion die Echtheit einer Luxusmarkenware trotz eines sehr geringen Angebotspreises anzunehmen.
Eine allgemeine Pflicht zur Untersuchung der Ware vor Abschluss des Kaufvertrages besteht jedoch im deutschen Recht nicht.
2. Untersuchungs- und Rügepflichten im belgischen Recht
2.1. Keine allgemeine Untersuchungs- und Rügepflicht
Das belgische Recht kennt weder im unternehmerischen Verkehr noch im Bereich B2C eine Untersuchungs- und Rügepflicht. Gewährleistungsansprüche verjähren gemäß Artikel 2262bis des belgischen Zivilgesetzbuches (Code civil) erst in zehn Jahren nach Ablieferung der Sache, wobei Vereinbarungen über die Länge der Verjährungsfrist bei Kauf beweglicher Güter zulässig sind, allerdings im Bereich B2C bei neuen Gegenständen nicht weniger als zwei Jahre, bei gebrauchten Gegenständen nicht weniger als ein Jahr betragen dürfen.
Die lange Gewährleistungsfrist wird jedoch temperiert durch die Vorschrift des Artikel 1648 Code civil. Danach muss der Käufer einer Sache, deren Vertragswidrigkeit er erkennt, Gewährleistungsansprüche innerhalb einer kurzen Frist (bref délai/korte tijd) nicht nur rügen, sondern gerichtshängig machen. Die Anzeige an den Verkäufer reicht nicht aus. Die Dauer der Frist ist abhängig von dem Einzelfall. Dabei wird man in aller Regel bereits aus anwaltlicher Vorsorge anraten müssen, Ansprüche innerhalb von zwei Monaten ab Kenntnis des Mangels gerichtsanhängig zu machen. Jedoch gilt aufgrund der zwingenden Vorgaben der europäischen Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie diese Einschränkung innerhalb der ersten zwei Jahre nicht bei Konsumentengeschäften, weil dem Konsumenten die vollen zwei Jahre der Gewährleistung zustehen. Die kurze Frist gilt daher bei Konsumentengeschäften erst nach Ablauf der ersten zwei Jahre der Mindest-Gewährleistungsfrist. Viele Käufer eines Produktes des Volkswagen-Konzerns, die ihr Fahrzeug in Belgien erworben haben und ihre Ansprüche auf vertraglicher Grundlage gelten machten, sahen sich daher häufig mit einem Ausschluss der Gewährleistungsrechte konfrontiert, weil ihnen vorstehende Regelung nicht bekannt war und sie davon ausgingen, innerhalb der gesamten Gewährleistungsfrist Klage erheben zu können. Die belgischen Gerichte nahmen allerdings häufig eine allgemeine Kenntnis von den Abgasmanipulationen seit September 2015 an, weswegen die Rechtslage in Belgien sich trotz der langen Verjährungsfrist von zehn Jahren als nachteiliger darstellte.
Die Frist des Artikel 1648 Code civil kann im Einzelfall länger sein, insbesondere wenn ernstgemeinte Verhandlungen zwischen den Parteien über die Gewährleistungsansprüche geführt werden. Dann kann der Verkäufer sich nach später nicht darauf berufen, Artikel 1648 Code civil schließe die Gewährleistungsansprüche des Käufers aus. Anders als im deutschen Recht hemmen jedoch Verhandlungen den Ablauf der Gewährleistungsfrist als solcher nicht, sowohl, wenn die allgemeine 10-jährige Verjährung betroffen ist wie auch für den Fall, dass kürzere Verjährungsfristen in rechtswirksamer Weise vereinbart wurden.
2.2. Kenntnis eines Mangels vor oder bei Abschluss des Kaufvertrages
Das belgische Recht kennt im Gegensatz zum deutschen Recht eine allgemeine Pflicht des Käufers, den Kaufgegenstand vor Abschluss des Kaufvertrages zu untersuchen. Dies betrifft selbstverständlich nur Kaufgeschäfte, die vor Ort, also nicht im Fernabsatz, geschlossen werden und die insbesondere einen konkreten Kaufgegenstand (Speziessache) betreffen und keine Gattungsschuld. Die Bestellung einer Sache, die erst herzustellen ist, ist eine Gattungsschuld, die erst bei Lieferung konkretisiert wird. Diesbezüglich besteht keine Möglichkeit der vorherigen Untersuchung. Anders ist dies bei dem Kauf einer Sache vor Ort und aus dem Bestand des Verkäufers.
Artikel 1642 Code civil schließt eine Gewährleistungspflicht des Verkäufers aus, wenn es sich um offensichtliche Mängel (vices apparents/gebreken die zichtbaar zijn) handelt, die der Käufer kannte oder hätte kennen müssen.
Dieser Gewährleistungsausschluss geht weiter als § 442 BGB, weil auch bereits einfache Fahrlässigkeit zum Nachteil des Käufers gereicht. Es kommt nur darauf an, dass der Mangel objektiv bei ordnungsgemäßer Prüfung der Kaufsache hätte entdeckt werden können.
Allerdings wird diese Vorschrift von der Rechtsprechung teilweise dogmatisch recht fragwürdig angewandt. Der Unterzeichner hatte zuletzt einen Fall, bei dem es um den Kauf eines wertvollen Oldtimers in einem C2C-Geschäft ging. Das Fahrzeug war in der Annonce als sich im perfekten Unterhaltungszustand befindlich, mit funktionierender Mechanik und Elektrik, insbesondere mit neuer Innenausstattung und Verdeck angepriesen worden. Der. AVerkauf erfolgte per Privatversteigerung über die Plattform Catawiki, die wie Ebay funktioniert. Der Käufer ließ das Fahrzeug abholen und stellte nach Ankunft fest, dass das Fahrzeug erhebliche Mängel aufwies und die Beschreibung des Kaufgegenstandes in der Annonce ganz offensichtlich nicht zutraf. Allerdings hatte er das Fahrzeug von einem Mitarbeiter seines Unternehmens abholen lassen, der eine Rechnung als Empfangsbestätigung gegenzeichnete. Hieraus schloss das Gericht, der Käufer kannte die Mängel bei Zustandekommen des Kaufvertrages oder hätte ihn zumindest kennen müssen. Rechtsfehlerhaft nahm das Gericht an, die Rechnung bei Abholung stelle den Kaufvertrag dar. Richtigerweise war der Kaufvertrag jedoch bereits zwei Wochen zuvor durch Zuschlag bei der Versteigerung zustande gekommen. Das Urteil ist daher materiell rechtsfehlerhaft. Denn tatbestandlich war Artikel 1642 Code civil nicht anwendbar und eine Rügepflicht gibt es im belgischen Recht nicht.
Gleichwohl ist, vor dem Hintergrund, dass belgische Gerichte häufig den Anwendungsbereich des Artikel 1642 Code civil überdehnen, Vorsicht geboten. Das gilt auch und gerade im unternehmerischen Verkehr, weil eine Verpflichtung des Unternehmers besteht, einem Schriftstück, mit dessen Inhalt er nicht einverstanden ist, unverzüglich zu widersprechen (Art. 1348bis Code civil). Hätte es sich bei dem Oldtimerkauf um ein B2B-Geschäft gehandelt, hätte die widerspruchslose Entgegennahme der Rechnung bei Anwendbarkeit des belgischen Rechts zu einer Genehmigungsfiktion bezüglich des Zustandes des Fahrzeuges geführt, zumindest, soweit offensichtliche Mängel betroffen sind.
3. Untersuchungs- und Rügepflichten im niederländischen Recht
Artikel 23 des 7. Buches des niederländischen Zivilgesetzbuches verpflichtet den Käufer, einen entdeckten Mangel dem Verkäufer „prompt“ anzuzeigen, und zwar prompt nach Kenntnis des Mangels oder nach dem Zeitpunkt, wo er diesen Mangel unter Anwendung angemessener Mittel hätte entdecken müssen. Der Ausschluss von Gewährleistungsrechten greift jedoch dann nicht, wenn der Verkäufer bestimmte Eigenschaften zugesichert hat oder wenn dies Mängel des Kaufgegenstandes betrifft, von denen der Verkäufer hätte Kenntnis haben müssen. Die Vorschrift bestimmt, dass im Bereich von Konsumentenverträgen, also B2C, diese Verpflichtung ebenfalls besteht, jedoch eine Frist von zwei Monaten gesetzlich als ausreichend erachtet wird.
Ansprüche auf Gewährleistung verjähren in zwei Jahren ab Lieferung.
Ähnlich wie im belgischen Recht ist der Käufer jedoch mit Gewährleistungsansprüchen ausgeschlossen, wenn er zum Zeitpunkt, als der Vertrag geschlossen wurde, Kenntnis von einem Mangel hatte oder hätte haben müssen. Dies entspricht dem Inhalt nach der oben dargestellten belgischen Rechtslage.
4. Untersuchungs- und Rügepflichten im UN-Kaufrecht
Das UN-Kaufrecht ist anwendbar auf den Verkauf beweglicher Gegenstände zu gewerblichen Zwecken. Bei dem UN-Kaufrecht handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag, der mittlerweile von 93 Staaten ratifiziert wurde. In 93 Rechtsordnungen dieser Welt unterliegen grenzüberschreitende Kaufverträge im B2B-Bereich daher dem UN-Kaufrecht und nicht dem unvereinheitlichten nationalen Recht. Sämtliche Mitgliedsstaaten der EU mit Ausnahme von Portugal, UK und Malta haben das UN-Kaufrecht ratifiziert, genauso wie China, Russland oder die Vereinigten Staaten.
Dies bedeutet, dass sämtliche Exportgeschäfte und schätzungsweise 80 % aller Importgeschäfte in Deutschland dem UN-Kaufrecht unterliegen, es sei denn, seine Anwendbarkeit wurde ausgeschlossen. Letzteres ist gemäß Artikel 6 CISG zulässig, muss aber ausdrücklich erfolgen.
Die vertragliche Wahl des deutschen, belgischen oder niederländischen Rechts führt daher aufgrund des Umstandes, dass es sich um einen Bestandteil dieser nationalen Rechte handelt, gerade zur Anwendbarkeit des CISG im internationalen Handel, was häufig verkannt wird.
4.1. Untersuchungs- und Rügepflicht nach Lieferung
Ähnlich wie im deutschen Recht sieht das UN-Kaufrecht in Artikeln 38 und 39 CISG eine Untersuchungs- und Rügepflicht vor. Der Käufer muss die Kaufsache nach Lieferung untersuchen, allerdings anders als im deutschen Recht nicht unverzüglich, sondern in einer so kurzen Zeit, wie dies unter Berücksichtigung der konkret gegebenen Umständen möglich ist. Ist die Ware zu befördern, kann die Untersuchung bei Ankunft am Bestimmungsort erfolgen.
Dem Verkäufer ist sodann bei Auftreten eines Mangels unverzüglich Mitteilung über den Mangel zu machen, wobei dies innerhalb einer angemessenen Zeit zu erfolgen hat.
Beide Fristen werden durch normative Rechtsbegriffe umschrieben und sind im Falle eines Rechtsstreits von dem Richter auszulegen. Dabei gibt es eine Tendenz, dass deutsche Gerichte angesichts der ihnen bekannten Vorschrift des § 377 HGB äußerst kurze Fristen annehmen, während z.B. belgische Gericht, nebenbei völlig im Gegensatz zu der Intention der Artikel 38 und 39 CISG, dem Käufer durchaus mehrere Monate gewähren und die Frage der Angemessenheit an der Rechtsprechung zu dem bref délai ausrichten.
Das UN-Kaufrecht verhält sich zwar nicht über die Frage der Verjährung, die den nationalen Rechtsordnungen vorbehalten bleibt. Artikel 39 Abs. 2 CISG bestimmt jedoch, dass die Mitteilung eines Mangels zwei Jahre nach Lieferung in jedem Fall verfristet ist, so dass Gewährleistungsansprüche nicht mehr durchgesetzt werden können.
Gemäß Artikel 40 CISG kann der Verkäufer sich allerdings nicht auf die Verletzung der Untersuchungs- und Rügepflicht berufen, wenn er den Käufer über einen Mangel, den er kannte oder den er hätte kennen müssen, nicht informiert hat.
4.2. Untersuchung der Ware vor Abschluss des Kaufvertrages
Umgekehrt haftet der Verkäufer nicht für die Vertragswidrigkeit der Ware, wenn der Käufer bei Vertragsabschluss diese Vertragswidrigkeit kannte oder darüber nicht in Unkenntnis sein konnte. Nicht in Unkenntnis sein ist dabei jedoch mehr als grobe Fahrlässigkeit. Ausgeschlossen ist gemäß der Rechtsprechung die Haftung lediglich für gleichsam ins Auge springende Vertragswidrigkeiten. In der Praxis relevant ist dieser Haftungsablösung daher vor allem bei dem Verkauf einer Speziessache, wie insbesondere bei gebrauchten Maschinen.
Allgemein trifft den Käufer vor Vertragsschluss jedoch keine Pflicht, die Ware zu untersuchen. Anders mag es sich nach der Rechtsprechung im Einzelfall verhalten, wenn der Käufer vom Verkäufer ausdrücklich zur vorherigen Untersuchung der Ware aufgefordert wurde, er diese unterlassen hat und sich später auf die Vertragswidrigkeit beruft. Bei arglistig verschwiegenen Mängeln gilt im Übrigen der Grundgedanke des Art. 40 in Verbindung mit Art. 7 CISG, wonach der Verkäufer sich nicht auf ein Verhalten des Käufers berufen kann, wenn ihnen selbst ein größerer Vorwurf trifft. Der bloß grob fahrlässig unwissende Käufer erscheint im Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts schutzwürdiger als der arglistig handelnde Verkäufer4.