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Grundlagen der Haftungsfälle und Klagen gegen GmbH-Geschäftsführer Innenhaftung – Handbuch zur Geschäftsführerhaftung (Teil 1)

Wer die Wirtschaftspresse aufmerksam verfolgt wird feststellen, dass nicht nur gegenüber Vorständen und Aufsichtsräten börsenbekannter Aktiengesellschaften die Anzahl von gerichtlichen Haftungsprozessen sowie die Höhen der dort geltend gemachter Schäden zunehmen, sondern auch die streitigen Haftungsverfahren gegenüber Geschäftsführern von Kapitalgesellschaften in der Rechtsform der GmbH oder der Unternehmergesellschaft.

In diesem Verfahren werden die Geschäftsführer persönlich in Anspruch genommen. D. h. sie müssen im Zweifel, sofern kein Drittschutz besteht, mit ihrem Privatvermögen bei einer Verurteilung einstehen. Derartige Situationen führen nicht selten zur Privatinsolvenz und zum Verlust von lange und hart erarbeiteten Familienvermögen.

So hat das Thema Haftung für den Geschäftsführer hohe praktische Relevanz. Der Geschäftsführer muss sich den damit verbundenen Herausforderungen neben der ohnehin schon anspruchsvollen unternehmerischen Handlungspflicht stellen.

Die Haftungsverantwortlichkeiten beginnen dabei grundsätzlich bei der Bestellung zum Geschäftsführer, können jedoch auch bereits dann von Relevanz sein, wenn  eine Person als sogenannter faktischer Geschäftsführer handelt. Und sie enden auch nicht dadurch, dass die Geschäftsführung auf mehrere Personen oder mehrere Einheiten, beispielsweise in Unternehmensgruppen, aufgeteilt werden. Nach den Grundsätzen der Gesamtverantwortung der Geschäftsführung können auch Managementfehler in fremden Ressorts dazu führen, dass eine Eigenhaftung des Geschäftsführers für Nachlässigkeiten von Mitgeschäftsführern entsteht. Schließlich endet die Verantwortlichkeit auch nicht zwingend mit der, fast jederzeit möglichen, Amtsniederlegung, wenn der Rechtsschein der Fortführung der Geschäftsführung aufrechterhalten bleibt.

Verletzung der allgemeinen Sorgfaltspflicht als Geschäftsführer

Mit weit über 70 % der Haftungsverfahren werden Ansprüche verfolgt, die sogenannte Innenhaftungsansprüche darstellen. In diesen Fällen ist die Gesellschaft selbst Gläubiger und  geht gegen den eigenen Geschäftsführer oder den ehemaligen Geschäftsführer vor. Fremde Dritte oder die Gesellschafter selbst sind in diesen Fällen nicht selbst klageberechtigt.

Kernvorwurf in diesen Fällen ist stets die Verletzung von Sorgfaltspflichten. Gestützt werden die Vorwürfe in der Regel auf die allgemeine Haftungsnorm des  § 43 Abs. 2, Abs. 1 GmbHG.

Nach § 43 Abs. 1 GmbHG hat der Geschäftsführer in den Angelegenheiten der Gesellschaft die  Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes  anzuwenden. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen schuldet der Geschäftsführer dabei nach  objektiven Maßstäben  die Sorgfalt, die ein ordentlicher Geschäftsmann in verantwortlich leitender Position bei selbstständiger Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen zu beachten hat. Er hat als Sachwalter fremder Vermögensinteressen unter Beachtung sämtlicher rechtlichen und gesetzlichen Vorschriften den Gesellschaftszweck und damit den Unternehmensgegenstand der Gesellschaft möglichst effektiv zu verfolgen und dort Gewinne zu erwirtschaften. Auf subjektive Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten kommt es nicht an. Der erfahrene und gut ausgebildete Geschäftsführer haftet dabei nach den gleichen Grundsätzen und den gleichen Ausmaßen wie der unerfahrene oder nicht gut ausgebildete Manager.

Der Geschäftsführer  schuldet daher der Gesellschaft kaufmännisches Handeln, ordnungsgemäße Organisation, strategische Delegation, Compliance, Überwachung, Dokumentation und Rechnungslegung, Gesetzestreue und Vertraulichkeit.

Wirtschaftlicher Erfolg oder wirtschaftlicher Misserfolg sind dabei jedoch nur bedingt taugliche Kriterien. Der Geschäftsführer hat stets das beste Ziel und den besten wirtschaftlichen Erfolg für die Gesellschaft zu verfolgen und gerät dabei in die Haftung, wenn er seiner Entscheidungen ohne entsprechende Datengrundlage und ohne entsprechende Risikoabwägungen im geschäftlichen Verkehr trifft und dadurch einen finanziellen Schaden der Gesellschaft verursacht.

Ihm steht nach dem Vorbild der US-amerikanischen Doktrin zur „Business Judgement Rule“ ein durchaus weiter unternehmerischer Ermessensspielraum zu, wenn es darum geht, künftige wirtschaftliche Entwicklungen im Markt, Verhalten des Wettbewerbs, Veränderung von Wechselkursen, die Einschätzung von Geschäftschancen und Geschäftsrisiken etc. zu bewerten und darauf eine entsprechende Entscheidung aufzubauen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (grundlegend ist das als „ARAG“-Entscheidung bezeichnete Urteil des BGH vom 21.04.1997, WM 1997, 970ff) führt ein unternehmerisches Handeln des Geschäftsführers nicht zu einer Haftung, wenn sie von Verantwortungsbewusstsein getragen, sich ausschließlich am Unternehmenswohl orientiert und auf einer sorgfältigen Ermittlung der Entscheidungsgrundlage beruht. Die Bereitschaft zum Eingehen von Risiken darf dabei nicht in unverantwortlicher Art und Weise überspannt werden.

Eine Haftung für unternehmerisches Handeln ist daher in der Regel dann anzunehmen, wenn sich aufdrängende Risiken nicht bewertet oder sich überhaupt keine Gedanken über das Risikoumfeld der unternehmerischen Entscheidung gemacht werden.

Für Geschäftsführer besonders nachteilig ist in rechtlichen Auseinandersetzungen, dass der Geschäftsführer mit der Aufgabe beweisbelastet ist nachzuweisen, dass er pflichtgemäß gehandelt hat. Entgegen den üblichen Anforderungen zivilrechtlicher Auseinandersetzungen muss nicht die Gesellschaft als Anspruchssteller den Pflichtverstoß nachweisen, sondern der Geschäftsführer muss sein pflichtgemäßes Verhalten darlegen können.

Orientiert an dem Leitbild des Sachwalters und Treuhänders in fremden Vermögensinteressen ist dem Geschäftsführer daher zu raten, die Grundlagen und Wege seiner Entscheidung vernünftig zu dokumentieren, um sie im Streitfalle der Gesellschaft auch vorhalten zu können.

Zu Streitfällen kommt es dann leider häufig in den Situationen, in denen entweder ein Insolvenzverwalter als berufener und sachverständiger Dritter im vermeintlichen Gläubigerinteresse plötzlich sein Heil darin sucht, den wirtschaftlichen Niedergang der Gesellschaft den ehemals verantwortlich handelnden Geschäftsführern anzuhängen, um noch Vermögen zur verteilungsfähigen Masse und zur Deckung seiner Gebühren heranzuziehen oder wenn Veränderungen im Gesellschafterkreis stattgefunden haben. So sind es häufig die neuen Investoren (beispielsweise Venture Capital Fonds oder private Investoren) die den Verlust ihres Investments auf die Schultern der Geschäftsführung abwälzen möchten. Aber auch kann es dazu kommen, dass in schon seit langen Zeiten bestehenden guten Gesellschafterstrukturen durch persönliche Veränderungen oder sonstige wirtschaftliche Neuerungen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die Streitereien auf Gesellschafterebene provozieren, die dann am langen Ende in Vorwürfen gegen die Geschäftsführung münden.

Neben fehlerhaften unternehmerischen Entscheidungen können aber auch insbesondere Organisations- und Delegationsmängel dazu führen, dass der Geschäftsführer der Gesellschaft für die ihr hieraus entstehenden Schäden haftet.

So sind beispielsweise die Kalkulationen von Aufträgen, der dazugehörige Vertragsabschluss aber auch die entsprechende Nachkalkulation sauber aufzuzeichnen und für Dritte nachvollziehbar zu dokumentieren. Ist es für Dritte beispielsweise im Nachgang nicht mehr möglich nachzuvollziehen, welche Ausführungsleistung die eigene Gesellschaft gegenüber Kunden schuldet, so kann auch nicht nachvollziehbar ermittelt werden, ob gegebenenfalls noch Sonderleistungen erbracht wurden, die ebenso abrechnungsfähig und damit im Ergebnis relevant für die Gesellschaft wären. Es kommt also nicht darauf an, ob der Geschäftsführer mit unternehmerischem Erfolg für die Gesellschaft handelt, sondern ob er unter den gegebenen Umständen den bestmöglichen unternehmerischen Erfolg erwirtschaftet hat. Er muss dabei ihre Unternehmensstruktur und sowie die Unternehmensorganisation derart gestalten, dass die Aufgaben bestmöglich und in Einhaltung der Gesetze durch die Mitarbeiter erfüllt werden können.

Die Haftungsverantwortlichkeit ist der Höhe nach unbegrenzt. Der Anspruch verjährt jedoch in 5 Jahren ab Kenntnisnahme der Gesellschaft von einem entstandenen Schaden. Im Haftungsverfahren muss die Gesellschaft den Schaden nachweisen und die Umstände darlegen, aus denen sich die Ursächlichkeit einer möglichen Pflichtverletzung für den entstandenen Schaden ergibt. Der Geschäftsführer hat nachzuweisen, dass er sich pflichtgemäß verhalten hat.

In Krisenfällen und daran anknüpfenden Sanierungssituationen ergibt sich analog zu §43 GmbHG eine Verantwortlichkeit des Geschäftsführers aus §43 StaRUG – Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz.

Besondere Fälle der Innenhaftung

Zahlungen an Gesellschafter

Die zugunsten der Gesellschafter wirkende Haftungsprivilegierung der Gesellschaft auf das Stammkapital gegenüber Dritten ist ein Vorteil der GmbH. Diese Haftungsprivilegierung ist eine Seite der Medaille, deren andere Seite die besonderen Vorschriften des GmbH-Rechts zum Erhalt des Stammkapitals sind. Das Stammkapital ist die den Dritten vom Gesetz garantierte Haftungsmasse. Dieses darf zwar im allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr untergehen, es darf jedoch nicht zugunsten der Gesellschafter, die sich auf die Haftungsprivilegierung berufen, der Gesellschaft entzogen werden.

Gemäß §43 Abs. 3 GmbHG in Verbindung mit §30 GmbHG haften die Geschäftsführer daher, wenn Sie Zahlungen an die Gesellschafter veranlassen, die zulasten des Stammkapitals gehen. Dies bedeutet, dass die Geschäftsführer insbesondere im Zahlungsverkehr mit den Gesellschaftern erhöhte Aufmerksamkeit walten lassen müssen. Sie müssen stets die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft hierzu im Blick behalten. Dies gilt selbst dann, wenn die Gesellschafter den Geschäftsführer zu einer solchen Zahlung anweisen. Die Weisung führt nicht in allen Fällen dazu, dass die Verantwortlichkeit des Geschäftsführers beseitigt wird.

Relevanz haben diese Überlegungen auch in Cash Pooling-Strukturen oder bei sonstigen Darlehenshingaben an die Gesellschafter. Dies gilt im Übrigen auch in Fällen der Darlehensgewährung innerhalb von Unternehmensgruppen. Das Darlehen an eine Schwestergesellschaft ist letztlich eine den Gesellschafter begünstigende Finanzierung, bei der die Werthaltigkeit der Darlehensrückgewährsansprüche zu überwachen ist. Im Zweifel muss der Geschäftsführer gegen das Interesse der Gesellschafter die Rückzahlung der Darlehen einfordern, um eine Eigenhaftung zu vermeiden. In solchen Konstellationen kann dann auch schon mal die eigene berufliche Anstellung des Geschäftsführers auf dem Spiel stehen.

Zahlungen an Gesellschafter im Falle der Insolvenzreife

Krisenzeiten einer Gesellschaft sind ganz besonders schwierige und haftungsträchtige Zeiten für die Geschäftsführung. Auf der einen Seite muss irgendwie versucht werden, den wirtschaftlichen Misserfolg abzuwenden, auf der anderen Seite setzen die rechtlichen Verantwortlichkeiten den Handelnden zu.

So haften die Geschäftsführer gemäß §15b InsO der Gesellschaft dafür, dass sie ab Eintritt der Insolvenzreife (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) an Dritte außerhalb des ordnungsgemäßen Geschäftsgangs der Gesellschaft keinerlei Zahlungen mehr leisten. Insbesondere der Eintritt des Überschuldungsstatus ist dabei nicht immer eindeutig zu erkennen. Dies verlangt, dass die Geschäftsführer in solchen Zeiten in kurzen zeitlichen Abständen sowohl den Liquiditätsstatus der Gesellschaft feststellen, einen stets auf dem neuesten Stand zu bringenden Liquiditätsplan führen und neben den notwendigen Feststellungen zur Prüfung, ob eine Überschuldung vorliegt, auch die entsprechenden Arbeiten erbringen, um festzustellen, ob der Gesellschaft noch eine positive Fortführungsprognose ausgestellt werden kann.

Gemäß §15b Abs. 5 InsO haften die Geschäftsführer für Zahlungen an die Gesellschafter, soweit diese Zahlungen zu Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten. Auch wenn in Rechtsprechung und Literatur zu dieser Haftungsnorm noch vieles in Bewegung ist, kann der Geschäftsführung nur angeraten werden, in solchen Zeiten jeglichen Mitteltransfer an die Gesellschafter zu prüfen und gut zu dokumentieren. Es muss vor allen Dingen der Eindruck vermieden werden, dass die Gesellschafter hier Mittel der Gesellschaft in Sicherheit bringen wollten. Nicht nur, dass diese Zahlungen dann ohnehin durch ein Insolvenzverwalter angefochten und zurückgefordert werden, sondern dann geht hier der Geschäftsführer mit seinem Privatvermögen hierfür zusätzlich in die Haftung.

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