Mischverträge: Welches Recht gilt – und was das für Haftung, Gewährleistung und AGB bedeutet
Viele Verträge verbinden Leistungen verschiedener Vertragstypen (Kauf‑, Werk- oder Dienstvertrag), so z.B. Lieferung mit Montage, Softwarelizenz mit Customizing, Vermittlung mit „Rundum-Service“. Solche „Mischverträge“ werden rechtlich als Einheit beurteilt.
Warum die Einordnung zählt
Viele Verträge verbinden Leistungen verschiedener Vertragstypen (Kauf‑, Werk- oder Dienstvertrag), so z.B. Lieferung mit Montage, Softwarelizenz mit Customizing, Vermittlung mit „Rundum-Service“. Solche „Mischverträge“ werden rechtlich als Einheit beurteilt. Maßgeblich ist dabei, welcher Vertragstyp den Schwerpunkt bildet; dieses „Leitrecht“ gilt dann grundsätzlich für den gesamten Vertrag und nicht mehrere Regime nebeneinander. Also gilt nicht Kaufrecht für den Kauf des Schrankes und Werkvertragsrecht für den Aufbau, sondern nur das „Leitrecht“, das den Schwerpunkt bildet. Das Leitrecht ist entscheidend für Haftung, Gewährleistung, Vergütung und die AGB-Kontrolle.
Maßstab ist dabei natürlich nicht die Überschrift des Vertrages, sondern der tatsächliche Inhalt, der Zweck und die Vergütungslogik des Vertrags. In dem genannten Beispiel des Kaufs eines Schranks mit Lieferung wäre damit zu unterscheiden, ob der Kauf den Schwerpunkt bildet (so z.B. beim Online-Kauf eines Schrankes eines namhaften schwedischen Möbelhauses inklusive Montage) oder die Werkleistung (so bei Beauftragung eines Schreiners mit dem Bau eines individuell gestalteten Schranks, der vor Ort errichtet und angepasst wird). Im erstgenannten Fall wird der Kaufpreis mit Lieferung des Schrankes fällig (also ggf. vor Aufbau), im letztgenannten Fall erst mit Abnahme des aufgebauten Schranks (Werkvertragsrecht).
Leitfall des BGH (Urteil v. 05.06.2025 – I ZR 160/24): Vermittlung bleibt Maklerrecht – trotz „Rundum-Service“
Der BGH hatte einen Studienplatzvermittlungsvertrag zu beurteilen, der zahlreiche Serviceelemente vorsah (z.B. Beratung, Unterlagenmanagement, Organisation von Tests). Gleichwohl ordnete der BGH den Vertrag dem Maklerrecht zu, weil Zweck und Vergütung auf die Vermittlung einer Abschlussgelegenheit gerichtet waren; die Zusatzleistungen waren nur flankierend. Der Prüfungsmaßstab für die AGB war damit das Leitbild des Maklerrechts: Provision nur bei Erfolg, Entscheidungsfreiheit des Auftraggebers und keine generelle Leistungspflicht des Maklers.
Auch ein Alleinauftrag mit Exklusivitätsabrede änderte daran im Kern nichts; er begründet zwar Tätigkeits- und Bindungselemente für Makler und Kunden, lässt das Erfolgsprinzip für die Fälligkeit der Vergütung aber unangetastet.
Erforderlich für den Abschluss eines Hauptvertrages, der gemäß dem Maklerrecht die Fälligkeit des Maklerlohns begründet, ist der tatsächliche Vertragsschluss; eine Zusage oder Vorabbestätigung genügt nicht. Im vorliegenden Fall reichte ein „Letter of Acceptance“ ohne Annahme/Immatrikulation daher für die Fälligkeit der Provision nach dem BGH nicht aus.
AGB-Kontrolle: „Am Leitrecht“ messen
Diese Einordnung nach dem Schwerpunkt ist also entscheidend für die Rechtsmäßigkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). AGB unterliegen einer rechtlichen Kontrolle und sind bei Verstoß gegen die gesetzlichen Vorschriften unwirksam. So sieht § 307 BGB vor, dass AGB-Klauseln, die von wesentlichen Grundgedanken des maßgeblichen Vertragstyps abweichen, regelmäßig unwirksam sind.
Im oben dargestellten Leitfall erklärte der BGH eine Klausel für unwirksam, die die Vergütung bereits an die bloße Zusage eines Studienplatzes knüpfte, ohne dass der Hauptvertrag tatsächlich zustande kommen musste. Das benachteiligt den Kunden unangemessen, weil es seine Entscheidungsfreiheit beschneidet und das typische Maklerrisiko auf ihn verlagert. Ebenso wäre im Beispiel des Schranks mit Lieferung eine Klausel in den AGB des Schreiners unwirksam, die eine Fälligkeit der gesamten Vergütung vor Abnahme des Schrankes vorsehen würde (Teilabnahmen mit Teilzahlungen können dagegen vorgesehen werden).
Folgen für die Praxis
AGBs müssen am Leitbild des „Leitrechts“ ausgerichtet sein. Wirksame (!) Abweichungen hiervon sind nur mit tragfähiger Rechtfertigung und bei transparenter Ausgestaltung möglich. Der Vertragszweck sollte möglichst konkret herausgearbeitet werden und die daraus folgende Risikoverteilung ist zu respektieren: Typische Risiken des Vertragstyps (z. B. Nichtzustandekommen des Hauptvertrags beim Makler) dürfen eben nicht einseitig über AGB auf den Vertragspartner abgewälzt werden.
Dabei ist wichtig, dass eine unwirksame AGB-Klausel nicht nur zum Unterliegen in einem Rechtsstreit im Einzelfall führen kann, sondern für Wettbewerber auch einen Abmahngrund darstellen kann.
Typische Fallgruppen sind z.B.:
- Lieferung mit Montage/Inbetriebnahme: Prüfen, ob der wirtschaftliche Zweck in der Herstellung eines funktionierenden Ergebnisses liegt (Indiz für Werkrecht) oder in der Übereignung mit Nebenleistungen (Indiz für Kauf).
- Softwarelizensierung plus Customizing: Steht die erfolgsbezogene Anpassung im Vordergrund, spricht viel für eine werkvertragliche Prägung; dominiert die Überlassung standardisierter Leistungen, kann das „Kaufelement“ überwiegen.
- Vermittlung mit Services: Bleibt der Vermittlungserfolg Vergütungsanker, gelten die strengen Erfolgsanforderungen; Zahlungstatbestände „vor dem Erfolg“ sind AGB-rechtlich riskant.
Fazit
Die zutreffende Schwerpunktanalyse ist der Dreh- und Angelpunkt bei Mischverträgen. Steht der Schwerpunkt fest, bestimmt dieses eine Regime die Spielregeln – von der Gewährleistung über die Fälligkeit bis zur AGB-Kontrolle. AGB, die Leitbildprinzipien unterlaufen, sind regelmäßig unwirksam. Wer Zweck, Erfolg und Vergütung konsistent ausrichtet und Nebenkosten sauber regelt, reduziert Rechts- und Prozessrisiken, aber auch das Abmahnrisiko spürbar.