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Kündigungsschutz Rechtzeitiger Zugang des Kündigungsschreibens

Einer angestellt arbeitenden Zahnärztin wurde gekündigt. Vereinbart war eine vierteljährliche Kündigungsfrist. Der Arbeitgeber beendete das Arbeitsverhältnis mit einem Kündigungsschreiben vom 28.9.2021 zum Jahresende und gab das Schreiben bei der Deutschen Post AG als Einwurf-Einschreiben auf. Laut Auslieferungsbeleg wurde der Brief am 30.9.2021 im Briefkasten der Zahnärztin eingeworfen. 

Die Angestellte bestritt jedoch den Zugang des Schreibens an diesem Tag und verlangte Weiterbeschäftigung bis 31.3.2022. Ihre Kündigungsschutzklage scheiterte in allen Instanzen bis hin zum Bundesarbeitsgericht (2 AZR 213/23). Mit dem Urteil im konkreten Fall schloss sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Thema „Kündigung durch Einwurf-Einschreiben“ an. 

Wann wird ein Kündigungsschreiben wirksam?

Bei einem Kündigungsschreiben handelt es sich um eine verkörperte Willenserklärung. Diese wird gem. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB erst in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie dem Empfänger zugeht. Nach gängiger Definition gilt eine Willenserklärung als zugegangen, wenn sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass unter normalen Umständen mit der Kenntnisnahme zu rechnen sei. Der Briefkasten gilt dabei bereits als Machtbereich des Empfängers. Nach der Verkehrsanschauung sei zudem bei Hausbriefkästen im Allgemeinen mit einer Leerung unmittelbar nach Abschluss der üblichen Postzustellzeiten zu rechnen. Das heißt, dass bei einer Zustellung während der üblichen Geschäftszeiten eine Erklärung am selben Tag als zugegangen gilt.

Beweis des Zeitpunkts der Zustellung

So die theoretische Rechtslage. In der Praxis stellt sich jedoch die Frage, wie die Beweislast bzgl. des Zeitpunkts der Zustellung verteilt ist. Die Klägerin bestreite einen Einwurf des Schreibens in ihren Hausbriefkasten zu den üblichen Postzustellungszeiten. Mit einer Entnahme am selben Tag sei deshalb nicht zu rechnen gewesen, sodass der Zugang erst am 1. Oktober 2021 erfolgt sei. Der Beklagte meint aber, bei der Zustellung eines Schreibens durch Bedienstete der Deutschen Post sei davon auszugehen, dass dies zu den üblichen Geschäftszeiten geschehen sei. Außerdem bestünden für einen Zugang außerhalb der üblichen Zeiten keine Anhaltspunkte.

Im Prozess gilt allgemein gesprochen die Regel, dass derjenige, der im Prozess etwas für sich Positives behauptet, dieses Vorbringen auch beweisen muss. Da auch keine Beweislastumkehr oder Beweisvermutung eingreift, müsste also der Arbeitgeber beweisen, dass das Schreiben rechtzeitig zugestellt wurde.

Der Arbeitgeber kann sich jedoch auf einen Anscheinsbeweis berufen. Der Beweis des ersten Anscheins greift bei typischen Geschehensabläufen ein, also in Fällen, in denen ein bestimmter Sachverhalt feststeht, der nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder auf einen bestimmten Ablauf als maßgeblich für den Eintritt eines bestimmten Erfolgs hinweist. Dieser wird aber bereits dadurch erschüttert, dass der Prozessgegner atypische Umstände des Einzelfalls darlegt und im Fall des Bestreitens Tatsachen nachweist, die die ernsthafte, ebenfalls in Betracht kommende Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs nahelegen.

Da unstreitig feststeht, dass das Schreiben am 30.09.2021 eingeworfen wurde, begründe dies laut BAG den Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Einwurf auch innerhalb der postüblichen Zustellzeiten erfolgt ist. Die Angestellte konnte auch keinen abweichenden, „atypischen Geschehensablauf“ darlegen. Sie hat den Zugang des Schreibens nur mit Nichtwissen bestritten – das genüge nicht. Die Zahnärztin habe also das Kündigungsschreiben am 30.9.2021 zur Kenntnis nehmen können, sodass das Schreiben am 30.09.2021 zugegangen und die Kündigung wirksam geworden ist.

Quelle: Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20.06.2024 – 2 AZR 213/23

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