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Verträge über digitale Produkte und Änderungen beim Verbrauchsgüterkauf Neues Kaufrecht 2022

Die Gesetze, die 2022 in Kraft treten, sorgen für die größte Veränderung des Bürgerlichen Gesetzbuches seit der Schuldrechtsmodernisierung 2001. Neben der Einführung der Verträge über digitale Produkte kommt es zu bedeutenden Veränderungen im Verbrauchsgüterkaufrecht. Die Neuregelungen sind für sämtliche Personen, die im Kaufrecht unterwegs sind, von erheblicher Relevanz.

A. Neue Gesetze 

Der Bundestag hat im Juni 2021 das „Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags" sowie das "Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen" beschlossen.

Damit setzt dieser die sog. „Digitale-Inhalte-Richtlinie“ (RL 2019/770 vom 20. Mai 2019) sowie die sog. „Warenkaufrichtlinie“ (RL 2019/771 vom 20. Mai 2019) der Europäischen Union um. Die beiden Gesetze treten am 01. Januar 2022 in Kraft.

B. Verträge über digitale Produkte

Infolge der Umsetzung der „ Digitale-Inhalte-Richtlinie“ wird der Vertrag über digitale Produkte ins Bürgerliche Gesetzbuch eingeführt. Dieser wird in den §§ 327 ff. BGB unter dem „Titel 2a Verträge über digitale Produkte“ allgemein geregelt sein. Innerhalb der Normen der einzelnen Schuldverhältnisse (Kauf, Schenkung, Miete, Werklieferung) wird dann (unter bestimmten Voraussetzungen) auf die allgemeinen Vorschriften der §§ 327 ff. BGB-E verwiesen. 

Digitale Produkte sind nach Legaldefinition des § 327 Abs. 1 BGB-E (Bürgerliches Gesetzbuch in der Entwurfsfassung) digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen. Dabei können die digitalen Inhalte auch über einen körperlichen Datenträger (CD, DVD, USB-Stick, etc.) bereitgestellt werden. 

Digitale Inhalte sind Daten, die in digitaler Form erstellt und bereitgestellt werden und umfassen somit u.a. Computerprogramme sowie Video-, Audio und Musikdateien. 

Zu den digitalen Dienstleistungen gehören vereinfacht gesagt Dienstleistungen, die dem Verbraucher die Nutzung (bzw. den Zugang) von Daten in digitaler Form ermöglichen (z.B. Social-Media- und Messenger-Dienste, Plattformen und Datenbanken). 

C. Die wichtigsten Änderungen im Verbrauchsgüterkaufrecht:

I. Aktualisierungspflicht

Den Unternehmer trifft in Zukunft eine Aktualisierungspflicht für digitale Produkte (§§ 327e, 327f BGB-E) und Sachen mit digitalen Elementen (§ 475b BGB-E). Dieser hat sicherzustellen, dass dem Verbraucher Aktualisierungen, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit des digitalen Produkts erforderlich sind, bereitgestellt werden und der Verbraucher über diese Aktualisierungen informiert wird. 

Diese gilt für den Zeitraum, den der Verbraucher aufgrund der Art und des Zwecks des digitalen Produkts und unter Berücksichtigung der Umstände und der Art des Vertrags erwarten kann (§§ 327 I 3 Nr. 2, 475b IV Nr. 2 BGB-E). Eine Konkretisierung dieser Dauer ist von Seiten des Gesetzgebers jedoch ausgeblieben. Maßgeblich könnte u.a. die Lebensdauer des Produktes sein. 

II. Bereitstellung von personenbezogenen Daten als Gegenleistung

Für die Anwendbarkeit der §§ 312 ff. BGB sowie der §§ 327 ff. BGB-E (die zum Großteil Verbraucherschutzregelungen enthalten) wird grds. vorausgesetzt, dass sich der Verbraucher als Gegenleistung zur Zahlung eines Preises verpflichtet.

Interessanterweise sind diese Vorschriften aber auch anzuwenden, wenn der Verbraucher dem Unternehmer anstelle einer Geldleistung personenbezogene Daten bereitstellt oder sich zu deren Bereitstellung verpflichtet (§§ 312 Ia, 327 III BGB-E). Damit wird im BGB erstmals die Bereitstellung personenbezogener Daten als Gegenleistung aufgeführt. Durch diese Neuregelung soll verhindert werden, dass Unternehmer „kostenlos“ (in Wirklichkeit aber gegen den Erhalt personenbezogener Daten) Leistungen erbringen bzw. digitale Produkte bereitstellen, ohne Verbraucherschutzregelungen einhalten zu müssen. 

Dies gilt jedoch nicht, wenn der Unternehmer die vom Verbraucher bereitgestellten personenbezogenen Daten ausschließlich verarbeitet, um seine Leistungspflicht oder an ihn gestellte rechtliche Anforderungen zu erfüllen, und sie zu keinem anderen Zweck verarbeitet.

III. Sachmangelbegriff

Ferner hat der Gesetzgeber im Kaufvertragsrecht einen neuen Sachmangelbegriff eingeführt. Bisher folgte dieser dem subjektiven Sachmangelbegriff, d.h. dass die Sache bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit haben muss. Nach § 434 I BGB-E muss die Sache nun darüber hinaus auch den objektiven Anforderungen und Montageanforderungen entsprechen. Die genauen Voraussetzungen werden in § 434 I BGB-E ausführlich erläutert. Die Sache kann demnach mangelhaft sein, obwohl sie die vereinbare Beschaffenheit aufweist. Zum Beispiel wenn sie sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet oder nicht die übliche und nach der Art der Sache zu erwartende Beschaffenheit aufweist. 

IV. Beweislastumkehr

Des Weiteren hat der Gesetzgeber für sämtliche Verbrauchsgüterkaufverträge die Beweislastumkehr von sechs Monaten auf ein Jahr erhöht (§ 477 I BGB-E): „Zeigt sich innerhalb eines Jahres seit Gefahrübergang ein von den Anforderungen nach § 434 oder § 475b abweichender Zustand der Sache, so wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des mangelhaften Zustands unvereinbar.“

V. Verweigerung wegen unverhältnismäßiger Kosten

Bisher konnte der Unternehmer, wenn die eine Art der Nacherfüllung nach § 275 I BGB ausgeschlossen ist oder er diese nach § 275 II oder III BGB oder § 439 IV 1 BGB verweigern kann, die andere Art der Nacherfüllung nicht wegen Unverhältnismäßigkeit der Kosten nach § 439 IV 1 BGB verweigern (§ 475 IV 1 BGB). Diese Regelung wird nun aufgehoben. D.h., dass der Unternehmer in Zukunft beide Arten der Nacherfüllung (Nachlieferung und Nachbesserung) wegen unverhältnismäßiger Kosten verweigern kann.

Allerdings bleibt dem Verbraucher das Recht auf Rücktritt vom Vertrag oder Minderung des Kaufpreises. 

D. Ausblick und weitere Informationen 

Im Jahr 2022 steht die größte Veränderung des Kaufrechts seit 2001 bevor. Die Neuregelungen führen im Wesentlichen zu einer Stärkung der Verbraucherrechte und legen dem Unternehmer weitere Pflichten auf. Sowohl für Unternehmer als auch für Verbraucher, die im Kaufrecht unterwegs sind, besteht daher dringender Beratungsbedarf. 

Die beiden Gesetze finden Sie unter folgenden Links: 

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